Winzerlatein, Teil 2
Der Oktober ist in Liechtenstein der klassische Monat, um das «Wimmla», die Weinlese, durchzuführen. Wobei die weissen Trauben in der Regel rund zwei Wochen vor den Blauen geerntet werden. Heuer war dies aufgrund der klimabedingten frühen Blüte im Frühjahr allerdings bedeutend früher der Fall als in den vorherigen Jahren. Die in Liechtenstein am meisten verbreitete Traube, der Blauburgunder (Pinot Noir), wurde in einzelnen Gemeinden wie z. B. Vaduz bereits Ende September gewimmelt. Der ab den 1940er Jahren eingeführte Riesling&Sylvaner (auch Müller Thurgau oder Rivaner), der häufigste Weisswein im Fürstentum, war bereits Mitte September an der Reihe. Nördlicher gelegene Gemeinden wie Schaan oder die Winzergemeinden des Unterlandes folgten später. In Vaduz sagt man ja nicht umsonst, dass es dort «en Tschoopa wärmer» sei als in Schaan. Dies ist allerdings allein auf das Klima bezogen!
Winterpause
Während sich der Winzer eine mehrmonatige Wingert-Absenz bis ungefähr Februar gönnt und dadurch auch die Reben eine Winterpause erhalten, um sich von den Strapazen des Rebjahres zu erholen, macht sich der Keltermeister ans Werk, um den aus der Weinlese gewonnenen Traubensaft in köstlichen Wein umzuwandeln. In Vaduz wurde diese Arbeit in ursprünglich acht, ab dem Ende des 19. Jahrhunderts noch sechs Torkeln und heute nur mehr in einer Weinpresse (Hofkellerei) verrichtet. Fünf der sechs bis Mitte des letzten Jahrhunderts noch funktionstüchtigen, heutzutage aber nur mehr der Dekoration dienenden Torkel stehen im Löwen, im Torkel, im Roten Haus (bis 1989 in Betrieb), im Mitteldorf (s‘Wachters Torkel) und in der Hintergass (s‘Rischa Torkel). Das Zentrum der Vaduzer Weinkelterei lag dort, wo sich heute der Torkelplatz mit dem durch die Winzergenossenschaft geschaffenen «Trubagässle» (nördlicher Teil des Mitteldorfs) befindet. Gerade am höchsten Festtag im bäuerlichen Vaduz, dem «Suusersunntig», als die ersten Proben des neuen Weins genossen werden konnten, herrschte hier reger Betrieb. Und dies in einem Ausmass, dass diese Ecke auch das «Lumpaviertel»genannt wurde. Allerdings nicht wegen der Anwohner, sondern aufgrund der zahlreichen Besucher aus dem In- und Ausland.
Produkte
Was wurde nun aber neben dem «Suser» in früheren Zeiten an Traubenprodukten konsumiert? Neben dem Weisswein («Elbling») war es traditionellerweise der Blauburgunder, der aber auf verschiedene Weisen gekeltert wurde. Entweder wurden die in der «Bötti» (grosser Bottich) gesammelten und durch «Stössla» (durch Stössel stampfen), «Tretta» (mit den Füssen stampfen) oder «Torkla» (mit Pressgerät pressen) zerstossenen Trauben an der Maische (Gemisch aus Most, Beerenschalen und Traubenkernen) belassen, was den «Beerli»-Wein ergab. In Vaduz wurde bei diesem Rotwein auch noch unterschieden, ob er aus dem Abtswingert/Rotes Haus kam («St. Johanner») oder aus dem Herawingert/Bockwingert («Bocker»). Wurde dieser «Saft» noch vor der abgeschlossenen Gärung in Fässer gefüllt, entstand daraus der etwas mildere «Ablass». Bei einer anderen Keltermethode wurden die Trauben nach einer relativ kurzen, noch nicht beendeten Maische-Gärung süss abgepresst, was den «Süssdruck» (eine Art Rosé, auch «Kretzer», früher «Schieler» und heute «Federawiss» genannt) ergab. Zu guter Letzt gab es früher auch noch einen eigenen «Bauernwein», der «Leps» genannt wurde. Dabei wurden die bereits gepressten Trauben («Trester») noch einmal gepresst und dieser «Saft» wurde mit Zucker und Wasser nochmals zur Gärung gebracht. Eine ähnliche Vorgangsweise gab es auch beim Obstmost. Dieses Hausgetränk wurde dann «Lööri» genannt. Heutzutage wird aus dem «Trester» kein zweiter Abdruck mehr produziert, sondern er wird, wenn überhaupt, gebrannt, was den «Marc»ergibt.
Folgen
In seinem Dialekt-Standartwerk «Die Mundarten von Liechtenstein» listet der Schaaner Alexander Frick in dem vergnüglichen Artikel «Das Wort Planeschtr» (S. 241ff) die verschiedenen Folgen eines übermässigen Wein- oder Schnapskonsums auf. Gerne seien sie hier nochmals wiederholt:
Mundartliche Bezeichung für einen leichten Rausch:
«ä Stüüberle, ä Schwipsle, ä betz agstocha, än liichta Stech, ä Gleesle öbera Dorscht trungga, än Sprecher haa, än Ploderli ha, ä liichts Rüüschle, er ischt scho a betz zua gse, ä Gleesle z‘viil ka, Ööl im Huat ka, än klina Servus haa, dr Wii het‘m Zunga glööst ka, agheiteret, scho zimlig loschtig gse.»
Bezeichnungen für einen mittleren Rausch:
«Numma ganz klaar im Kopf gse, numma nüachter sii, er goot uf runda Soola hääm, beneblet, iigneblet, än Dusel, än Faana, än Zapfa, än Flaada, än Feger, än Dotsch im Gsecht haa.»
Richtig reichhaltig wird die Auswahl aber erst bei den Bezeichnungen für einen schweren Rausch:
«Schweeri Schlaagsitta, än koga Schwank haa, än Kanoona Ruusch, än Mords-Affa, än Tiger, än Sau-Siach, än rechtiga Balaari, än Dampf, er ischt volla gse, stink-hagel-volla, er ischt zua gse, än keibe Tolgga, än huara Klapf, er het z‘viil klada, er het schelb klada, er het än Zümpftiga zemmabroocht, z‘tüüf is Glaas gluagat, bsoffa, schtoggbsoffa, än Klepperi, än Setzlig, er het gsoffa via [sic] nä Loch oder wia-n-ä Kua, er het än Ruusch ka wia ä Huus, än Vatterlendischa, än Planeschtr.»
Am Ende sei hier vor allem für die Vaduzer Leserschaft an das Wort der Heimatdichterin Ida Ospelt-Amann (1899–1996) erinnert:
Z Vadoz förwoor
kascht en Roota ha –
Där hät Läba
där hät Geischt.
Trink no net,
bis d‘ussi keischt.
Literatur:
Frick, Alexander: Die Mundarten von Liechtenstein. Bearbeitet von Eugen Gabriel. Vaduz 1990. U. a. erhältlich über die Liechtensteinische Mundartstiftung.
Ospelt, Mathias: Weintradition in Liechtenstein, Triesen 2004.
Vaduzer Wein. 100 Jahre Winzergenossenschaft. Hrsg. Winzergenossenschaft und Gemeinde Vaduz. Vaduz 1996.