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60Plus | Im Blickpunkt | Dezember, 2020
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Interview mit Prof. Dr. med. T. Fehr

Chefarzt/Ärztlicher Direktor des Kantonsspitals Graubünden, Chur

Liechtensteiner Patienten haben sich schon immer gerne im Kantonspital Graubünden behandeln und operieren lassen. Das Liechtensteinische Landesspital und das Kantonsspital Graubünden haben 2014 einen Kooperationsvertrag abgeschlossen und arbeiten seither sehr eng zusammen.

Welche Gründe waren ausschlaggebend, um mit dem Liechtensteinischen Landesspital eine Partnerschaft einzugehen?

Das Liechtensteinische Landesspital ist bereits seit 2014 ein Allianzpartner des KSGR. Die Hauptgründe für diese Kooperation liegen primär in der gegenseitigen Ergänzung der zwei Spitäler. So kann das KSGR am Landesspital Liechtenstein eine das lokale Angebot ergänzende, wohnortsnahe und spezialisierte Medizin anbieten. Gleichzeitig kann das KSGR durch die Unterstützung des LLS dessen Einzugsgebiet an Patienten erhöhen. Umgekehrt ist das KSGR interessiert, Liechtensteiner Patienten mit komplexeren Krankheiten, die vor Ort nicht behandelt werden können, in Chur zu betreuen – z.B. die Durchführung von Koronarangiographien und Bestrahlungstherapien.

Welches sind die inhaltlichen Schwerpunkte der Kooperation?

Schwerpunkt der Kooperationen ist sicherlich die medizinische Zusammenarbeit, hauptsächlich in Bereich der Inneren Medizin und Chirurgie. Aktuell haben wir 15 Kooperationsfelder, beispielsweise im Bereich Onkologie, Pneumologie, Gastroenterologie und Geriatrie. Darüber hinaus arbeiten wir auch im Pflegeberich sehr intensiv zusammen und versuchen laufend neue Kooperationsfelder zu eruieren. Das Hauptziel über diese diversen Kooperationen bleibt dabei stets das Gleiche, den liechtensteinischen Patienten eine qualitativ hochstehende medizinische Versorgung im FL zu gewährleisten.

Was für Dienstleistungen nehmen Liechtensteiner Patienten in Kantonspital in Anspruch?

Als Zentrumsspital verfügt das KSGR über ein sehr breites medizinisches Leistungsangebot, welches selbstverständlich allen Patientinnen und Patienten aus dem FL offensteht. Sicherlich werden besonders diejenigen medizinischen Leistungen in Anspruch genommen, welche am Landesspital Liechtenstein nicht angeboten werden, also solche, die eine komplexere Infrastruktur benötigen.

Stellen Sie seither eine Zunahme der Patientenanzahl aus Liechtenstein fest? Wie hat sich das ausgewirkt?

Die Anzahl an Patienten aus dem Fürstentum Liechtenstein ist sicherlich seit Beginn der Kooperation mit dem LLS angestiegen und hält sich seither auf konstantem Niveau. Es gilt hier hervorzuheben, dass die Grundidee der Kooperation die wohnortsnahe medizinische Betreuung der Patientinnen und Patienten ist. Es ist deshalb nicht das Ziel des KSGR, möglichst viele Liechtensteiner Patienten am KSGR zu behandeln. Diese sollen, wo sinnvoll und möglich, vor Ort am LLS behandelt werden und nur falls nötig für spezialisierte Untersuchungen und Eingriffe an das KSGR verlegt werden.

Wie funktioniert die Kooperation? Wer bestimmt, ob ein Patient zu Ihnen ins Kantonsspital kommt?

Primäre Anlaufstelle für die Patienten ist das Landesspital Liechtenstein. Diese sollen von der Qualität der Kooperation profitieren, jedoch von der dahinterstehenden «Koordination» nichts spüren. Der Entscheid über den optimalen Behandlungsort liegt bei den behandelnden Ärzten vor Ort und erfolgt in gegenseitiger Absprache zwischen dem LLS und dem KSGR. Zur Optimierung dieser Zusammenarbeit haben wir einen regelmässigen Austausch zwischen den Departementsleitungen der Kerndepartemente beider Spitäler ins Leben gerufen.

Wie hat sich die Zusammenarbeit zwischen dem Kantonspital und dem Landesspital seit 2014 entwickelt?

Ich glaube, dass die Kooperation seit 2014 qualitativ gereift ist. In den Anfangsjahren der Kooperation standen sicherlich der Auf- und Ausbau der Kooperation im Vordergrund. Mittlerweile haben sich die Kooperationsfelder etabliert und wir versuchen nun, diese laufend weiterzuentwickeln und zu optimieren. Aus Sicht des KSGR waren die vergangenen Jahre sehr wertvoll.

Hat die derzeitige Corona-Krise einen direkten Einfluss auf die Kooperation zwischen dem Landesspital und Kantonsspital und wenn ja, wie wirkt sich das aus?

Kooperationen brauchen Aufmerksamkeit und Pflege, damit eine optimale Zusammenarbeit entstehen kann. Dies ist per se schon eine anspruchsvolle Aufgabe, welche sicherlich während einer Pandemie noch anspruchsvoller wird. Wir versuchen deshalb, uns in dieser für beide Seiten hektischen Phase soweit wie möglich gegenseitig zu unterstützen. Beispielsweise durch einen laufenden Austausch über die aktuelle Belegungssituation der Covid-19 Patienten am LLS und KSGR. So können wir bei Engpässen rasch reagieren.

Wie sehen Sie die Kooperation in der Zukunft?

Wir sind der Überzeugung, das Kooperationen im Gesundheitswesen weiterhin an Bedeutung gewinnen werden und dass wir hier mit der Kooperation zwischen dem LLS und dem KSGR den richtigen Weg eingeschlagen haben. Neben der Weiterentwicklung der Kooperationen im medizinischen Bereich werden in Zukunft sicherlich noch andere Kooperationsfelder entstehen. Wir denken hier beispielsweise an Bereiche wie IT, Administration, Finanzen, etc.

Diese Entwicklungen werden durch ein immer anspruchsvolleres Umfeld zusätzlich getrieben, beispielsweise im Bereich der Qualitätsanforderungen, bei Personalthemen und bei den Regulatorien.

Wie beurteilen Sie persönlich diese Zusammenarbeit zwischen Graubünden und Liechtenstein?

Ich nehme die Zusammenarbeit zwischen dem LLS und dem KSGR als sehr konstruktiv und wertschätzend war. Selbstverständlich haben beide Spitäler ihre eigenen Herausforderungen, die es zu meistern gilt. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass vielen dieser Herausforderungen gemeinsam begegnet werden kann. Grundvoraussetzung ist eine gemeinsame Vision, ein gemeinsames Ziel und der Wille und die Motivation der beteiligten Personen. Daran muss und soll konstant gearbeitet werden. Ich denke, dass wir mit dem LLS auf dem richtigen Weg sind. Speziell mit der neuen ärztlichen Leitung besteht bereits ein exzellenter persönlicher und fachlicher Austausch.

Vielleicht noch einige Sätze zum neuen Jahr und zu Corona als Abschluss!

Die aktuelle Pandemie ist für uns als Land, als Bevölkerung und schlussendlich als Individuum belastend. Ich wünsche mir, dass wir 2021 unseren Fokus wieder vermehrt auf erfreulichere Themen richten können. Hierfür ist aber nach wie vor Disziplin und Verantwortung von jedem gefordert.

Im Namen des KSGR wünsche ich Ihnen besinnliche Festtage und, aktuell mehr denn je, gute Gesundheit!

Vita Prof. Dr. Thomas Fehr

Nach dem Medizinstudium an der Universität Zürich war Fehr am Institut für experimentelle Immunologie des Universitätsspitals Zürich tätig und erlangte 1996 seinen Doktortitel. 2001 erhielt er seinen Facharzt Innere Medizin FMH. Nach seiner Habilitation war er auf der Nephrologie am Kantonsspital St. Gallen tätig. Von 2003 bis 2006 war er Postdoktorand am Transplantation Biology Research Center, Massachusetts des General Hospital Boston in den USA. Er erlangte 2007 den Facharzttitel für Nephrologie und war anschliessend als Oberarzt Nephrologie am Universitätsspital Zürich tätig. 2009 wurde er zum Titularprofessor Innere Medizin ernannt. Er war danach leitender Arzt Nephrologie und Leiter des Transplantationszentrums am Universitätsspital Zürich. 2010 wurde er ebenda zusätzlich Direktor des HLA-Typisierungslabors. Seit 2014 ist er Ärztlicher Direktor, Chefarzt und Departementsleiter Innere Medizin sowie Mitglied der Geschäftsleitung des Kantonsspitals Graubünden in Chur.