von Dr. med. Lukas Hinterhuber
Was die Wissenschaft erst seit Kurzem entdeckt hat, ist vom Volk schon lange beobachtet worden und hat sich in Redewendungen niedergeschlagen. Der Volksmund weiss bekanntlich über viele Dinge Bescheid! Ein kurzweiliger Überblick über die bekanntesten medizinischen Redewendungen.
«Schmetterlinge im Bauch» und «Stress schlägt auf den Magen»
Tatsächlich ist 2024 eine Studie erschienen, bei der Kollegen aus Rom (1) den Zusammenhang zwischen Emotionen und Magensäureproduktion feststellen konnten. Das emotionale Erleben und die Verhältnisse im Magen stehen also in direktem Zusammenhang. In stressigen Situationen sprechen viele Menschen davon, dass ihnen etwas auf den Magen schlägt und meinen damit ein flaues Gefühl, Bauchschmerzen, Übelkeit oder Durchfall. Die im Rahmen der Stressreaktion ausgeschütteten Hormone wie z. B. Adrenalin führen zu einer verminderten Durchblutung der Verdauungsorgane und einer dadurch gestörten Verdauung – das Blut wird ja in der Muskulatur oder dem Gehirn und nicht zum Verarbeiten der Nahrung benötigt.
Das Bild des Herzens erinnert an die traditionelle japanische Tintenfischfalle, ein bauchiges Gefäss mit engem Hals (japan. «tako»: Oktopus, «tsubo»: Pott).
«Ein gebrochenes Herz»
Wir Mediziner beschreiben eine vor allem Frauen betreffende Herzmuskelerkrankung, die nach grossem emotionalem Stress auftritt, als «Broken-Heart-Syndrome» oder als Takotsubo-Syndrom. Das Bild des Herzens erinnert an die traditionelle japanische Tintenfischfalle, ein bauchiges Gefäss mit engem Hals (japan. «tako»: Oktopus, «tsubo»: Pott). Bei einem Schockereignissen kann es sich um negative Ereignisse wie um den Verlust eines geliebten Menschen durch Trennung oder Tod handeln, aber auch freudige wie Hochzeiten oder ein Lottogewinn. Im Gegensatz zu einem Herzinfarkt tritt kein Verschluss des Herzkranzgefässes auf. Dennoch kann das «Broken-Heart-Syndrome» eine dauerhafte Schädigung des Herzmuskels bis hin zum Herztod zur Folge haben. Also Vorsicht, liebe Leserschaft, sie können also wirklich ihrer Partnerin/ihrem Partner das Herz brechen!
«Da bleibt mir die Spucke weg»
Wenn einem sprichwörtlich die Spucke wegbleibt, dann weiss man erst einmal nicht genau, was man sagen soll, ursächlich durch Stress oder schockierende Ereignisse. In Stresssituationen wird der sogenannte Sympathikus aktiviert, ein Nervengeflecht, der den Körper auf Kampf oder Flucht vorbereitet. Dann fährt der Körper viele Prozesse auf das Nötigste herunter. Auch der Speichelfluss reduziert sich, da in diesem Moment eine Flucht und nicht der Verdauungsprozesses im Vordergrund steht. Somit wird der Mund trocken, die Spucke bleibt einem weg.
«Das Blut stockt in den Adern»
In gefährlichen Situationen wie im Kampf ist es wichtig, dass der Körper Blutungen stoppt, um einen grossen Blutverlust zu vermeiden. So werden offene Wunden durch Fibrinfäden, an denen die Blutplättchen kleben bleiben, verschlossen. In solchen Situationen produzierte der Körper vermehrt das körpereigene Protein Fibrin, das für die Blutgerinnung zuständig ist. Somit verdickt sich das Blut im Gefässsystem und das Blut stockt sprichwörtlich in den Adern.
«Gift und Galle spucken»
Wer sich sehr über etwas ärgert, dem kommt sprichwörtlich die Galle hoch oder er spuckt im schlimmsten Fall Gift und Galle. Medizinisch betrachtet handelt es sich bei der Galle um einen Verdauungssaft, der in der Leber hergestellt wird und die Aufnahme von Fetten in den Körper unterstützt. Bei manchen Patienten fliesst die Galle vom Dünndarm nach oben Richtung Magen oder sogar Speiseröhre. Dies kann zu leichten Entzündungen wie zu einer Gastritis führen. Ob dieser Prozess durch emotionalen Stress wie Ärger erhöht wird, glaube ich weniger; somit lässt sich diese Volksweisheit medizinisch schlecht erklären.
«An apple a day keeps the doctor away»
Äpfel enthalten viele Vitamine und Mineralstoffe. Hinzu kommt der Ballaststoff Pektin, der für ein längeres Sättigungsgefühl sorgt, wie alle Ballaststoffe die Verdauung fördert und zur gesunden Darmflora beiträgt. Darüber hinaus enthalten Äpfel sekundäre Pflanzenstoffe, wie zum Beispiel die sogenannten Flavonoide, die Entzündungen hemmen, das Immunsystem stärken und sogar das Risiko für bestimmte Krebserkrankungen senken sollen. Diese Kombination an positiver Wirkung auf Immunsystem, Darmflora und Zellreinigung ist beim Apfel erstaunlich.
Da ich nicht täglich einen Apfel zu esse, verrate ich der werten Leserschaft von 60Plus zum Abschluss mein persönliches Rezept zur Stärkung der Gesundheit: täglich: 2 EL Weizenkeime für den Bedarf an Spermidin, 1 TL Kreatin zum Muskelaufbau, 1 EL Leinsamen, Omega-3-Fischölkapseln und 1 TL Inulin für die Darmflora.
Gesundheit!
Zur Person
Lukas Hinterhuber ist Facharzt für Innere Medizin und Facharzt für Geriatrie. Sein Themenschwerpunkte sind neben der Geriatrie die Gastroenterologie und die Ernährungsmedizin. Er arbeitet am Landesspital in Vaduz als Leiter der Abteilung für Akutgeriatrie sowie in einer Praxis in Tirol.