von Gabi Eberle
Ob als Vertreter der IG Kunst und Kultur Podiumsteilnehmer am Kulturforum zur «Kulturstrategie Liechtenstein 2025+» in Schaan, involviert bei Vaduz Classic, Stiftungsrat des Sinfonieorchesters Liechtenstein, Geschäftsführer der Pepi-Frommelt-Stiftung oder seit Kurzem Mitglied des Tangente-Vorstands – der Begriff Tausendsassa erscheint für Michael Gattenhof durchaus zutreffend. Wohl behütet aufgewachsen als Einzelkind deutscher Eltern im Triesner Oberdorf, erfuhr Gattenhof neben positiver Resonanz im Laufe der Jahre auch Ressentiments und wurde häufig als Fantast, Utopist oder gar als Spinner bezeichnet. Wie sieht er sich selbst? «Einerseits bin ich ehrgeizig, ein rastloser Perfektionist, andererseits ein ausgeglichener Genussmensch mit dem grossen Privileg, meine Passion und Begeisterung zum Beruf gemacht zu haben. Mein Ziel und Antrieb war es immer, mit kulturellen Projekten und Veranstaltungen den Menschen Freude zu bereiten. Es gibt nichts Schöneres, als glückliche Menschen vor einer Bühne zu sehen.»
Der Weg zum Kulturmanager
Bereits während seines Studiums zum Gymnasiallehrer in Bern und Lausanne träumte Michael davon, später nebenbei Projekte im Kultur- und Veranstaltungsbereich zu realisieren. Über Austauschprogramme des Schulamts bot sich ihm die Möglichkeit, als Sprachassistent in England zu unterrichten. «Ein grosser Glücksfall war, dass ich während meines ganzen Studiums in den Semesterferien jeweils Aushilfsunterricht am Liechtensteinischen Gymnasium erteilen durfte.» Als sich ihm die Möglichkeit eröffnete, in London Kulturmanagement zu studieren, packte er die Gelegenheit beim Schopf. Anstelle vollamtlicher Lehrer zu werden, begeisterte ihn die Vorstellung, als zukünftiger Kulturmanager in Liechtenstein Neuland zu betreten. Michaels Vision: ein Kulturfestival für Liechtenstein, das während drei Tagen für andere als die üblichen Finanzplatz-Schlagzeilen sorgen würde. Um die theoretischen und konzeptionellen Grundlagen dafür zu schaffen, stellte er seine Abschlussarbeit im Rahmen seines ‹Master of Arts›-Studiums unter den Titel ‹Das Liechtenstein Festival›.
Während seiner Englandaufenthalte besuchte er unzählige Jazz-, Rock- und Popkonzerte – von kleinen Clubs bis hin zu Konzerten im Wembley-Stadion. «Über die Hälfte meines Budgets investierte ich damals in LPs und Konzertbesuche.» Begonnen hatte seine Leidenschaft für Musik bereits viel früher: «Als Kind wünschte ich mir zu Weihnachten oder zum Geburtstag Musikkassetten, später dann einen ersten Kassettenrekorder. Thomas Gottschalks Radiosendung ‹Pop nach 8› war Pflicht.» Und, wen wundert’s: Das Gehalt aus seinem ersten Ferienjob floss in eine Stereoanlage.
Die Anfänge
Als Mitglied der Jugendgruppe Triesen startete Michael Gattenhof 1980 seinen ersten «hoffnungslosen Versuch, als Veranstalter aufzutreten. Wir planten die Durchführung eines Open Airs beim Kinderspielplatz im Forst. Während des Bühnenaufbaus setzte Regen ein. Trotz des Ortswechsels in die Triesner Turnhalle war das Vorhaben leider nicht von Erfolg gekrönt. Die Konzerte fanden zwar statt, aber schliesslich blieben wir auf 500 Paar Würsten sitzen», erzählt er lachend. Jahre später dann die ersten konkreten Gehversuche im Eventmanagement: Michael Gattenhof unterstützte Jacqueline Beck als ‹Manager› ihrer Showtanzgruppe «Front Line Dancers». Er war Agent, Chauffeur, Beleuchter, Caterer in einem. 1990 folgte die erste Musikproduktion. Günther Boss bat ihn, sich um die Organisation, Finanzierung und Management des Albums «Sophie» zu kümmern.
«The Little Big One»
1993 war es dann endlich so weit: Als Mini-Pilot-Version unterzog Michael seine Diplomarbeit dem Praxistest – unterstützt von der Gemeinde Vaduz, ging die erste Ausgabe des Musikfestivals «The Little Big One» erfolgreich über die Bühne. Das Festival wuchs von Jahr zu Jahr: 1994 besuchten bereits 10 000, 1995 rund 15 000 Musikbegeisterte aus dem In- und Ausland das Vaduzer Städtle, erlebten an drei Tagen über 20 Konzerte auf zwei Haupt- und vier Nebenbühnen sowie diversen Nebenschauplätzen wie dem «Real», Café Wolf und Burg Café. Das LBO wurde so zwischen 1993–2002 zu einem der wichtigsten kulturellen Imageträger und Aushängeschilder Liechtensteins. Bei der Organisation des Festivals konnte Gattenhof auf seine persönlichen Kontakte zu Musikern, Managern, Agenten und Musikproduzenten bauen. Ein breites Netzwerk, das er sich u. a. während der Jahre in England erarbeitet hatte.
Anekdoten, die sich hinter den Kulissen rund um die internationalen Stars abspielten, hat Michael zuhauf auf Lager. «Joe Cocker zum Beispiel erkundigte sich am Tag seines Auftritts kurzfristig nach einer Schlossführung. Nachdem wir alle Hebel in Bewegung gesetzt hatten, fuhren wir – Cocker mit eigenem Chauffeur, ein grosses Bier in der Hand – auf Schloss Vaduz vor. Fürstin Gina persönlich führte ihn durch die Räumlichkeiten, wo ein berühmtes Kunstwerk seine Aufmerksamkeit erregte. An die Fürstin gewandt, fragte er ungeniert: ‹Can I buy this?›, was ihr lediglich ein Schmunzeln entlockte … Oder Marla Glen, deren Fahrer mehrmals den vergeblichen Versuch startete, sie von ihrem Tisch vor dem Café Wolf zum Aufbruch Richtung Flughafen zu bewegen. Den Flug soll sie mit viel Glück in letzter Minute doch noch erreicht haben…».
Die grösste Herausforderung, verbunden mit massivem unternehmerischem Risiko, stellte die Beschaffung der nötigen Gelder dar, um Jahr für Jahr die Finanzierung des Festivals sicherzustellen. Diese setzte sich aus Unterstützungsbeiträgen von privater und öffentlicher Seite und bedeutenden finanziellen Eigenleistungen zusammen. Erfreulicherweise stimmte 2001 der Landtag dem Bericht und Antrag der Regierung zum Verpflichtungskredit für das LBO für die Jahre 2002 bis 2004 zu. Dagegen wurde das Referendum ergriffen. Der negative Ausgang der Volksabstimmung im März 2002 bedeutete schliesslich das Aus für «The Little Big One». Die Enttäuschung war gross.
Neuorientierung
Nach dem Festivalende ging Michael Gattenhof beruflich neue Wege. Von 2003 bis 2010 war er Geschäftsführer der Standortmarketingorganisation Stiftung Image Liechtenstein, später Direktor der Onassis Foundation. Dann kam erneut die Musik ins Spiel: «Micha Eder und Patrick ‹Sulsi› Büchel von der Zwei Bar kamen 2011 auf mich zu und meinten, es sei wieder an der Zeit für ein Festival in Vaduz. Innerhalb weniger Wochen stampften wir ‹VADUZSOUNDZ› aus dem Boden, damals noch im Kleinformat mit Gratiseintritt, seit 2015 auf dem neu entstandenen Museumsplatz.» Auch das Café im Kunstmuseum mit Walter Hagen und Hansi Suppan vom Esquire tragen mit ihren Lokalen zum besonderen gastronomischen Rahmen bei, «der den Charakter und den Charme des Mini-Club-Open Air-Festivals ausmacht.» Das Musikprogramm ist eine Herzensangelegenheit: «Was passt zu uns, zum Publikum, nach Vaduz und – was können wir uns leisten? Auch wenn VADUZSOUNDZ dankenswerterweise von der Gemeinde Vaduz und der Kulturstiftung Liechtenstein finanziell unterstützt wird, wäre das Festival ohne weitere Förderer und Stiftungen mit dieser Programmqualität nicht durchführbar.»
Die Zukunft
Wie sehen die Arbeitstage des Kultur- und Veranstaltungsmanagers aus? «Morgens stehe ich sehr früh auf, setze mich ins Büro und beginne, meine Checklisten abzuarbeiten. Da sich bei mir mehrere Themenfelder überlagern, ergeben sich auch häufig spontane Gespräche und Treffen mit Partnern. Ich schätze die Abwechslung und meine Selbstständigkeit sehr. Da kann es auch mal 2 Uhr morgens werden …»
2026 jährt sich VADUZSOUNDZ zum 15. Mal. «Ich kann ich mir gut vorstellen, bis zur 20. Auflage oder auch länger weiterzumachen. Da gibt es aber noch ein Projekt, von dem ich schon lange träume: ein Kulturzentrum, eine Multifunktionseinrichtung, eine Mehrzweckbühne in Liechtenstein, die unserer Kunst- und Kulturszene eine besondere Plattform zur Darstellung ihres ganzen Potenzials bietet. Es macht mir viel Freude, in unkonventionellen Dimensionen denken und leben zu dürfen – im Wissen, noch viel vorzuhaben …»
VaduzSoundz 2025
23. bis 26. Juli, Museumsplatz, Vaduz
u. a. mit den Ü60-Stars
Gianna Nannini (70) und dem
Patent-Ochsner-Frontman Bühne Huber (63)
www.vaduzsoundz.li
Zur Person
Nach ursprünglichem Fokus auf Kultur- und Eventmanagement Verlagerung auf Standortmarketing, Kommunikationsberatung, Branding und Projektmanagement ist Michael Gattenhof seit 2016 wieder verstärkt im Kulturmanagement und Veranstaltungswesen tätig.