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60Plus | Horizont | Dezember, 2018
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Reinold Ospelt, Vaduz

Auf dem Rad von Xi’an in China bis zur Grenze von Laos

Der seit dem 19. November 71 Jahre junge Unternehmer Reinold Ospelt aus Vaduz war viele Jahre zu Fuss auf Reisen. Seit den letzten zwei Jahrzehnten ist er mit dem Rad unterwegs und bereiste schon viele Länder auf dieser Welt. Auf seiner Radtour in diesem Jahr fuhr er vom 7. September bis zum 5. November von Xi’an aus durch Zentral- und Südwestchina über 4000 Kilometer bis zur Grenze nach Laos. Dabei musste Reinold Ospelt eine sehr gebirgige Landschaft mit sage und schreibe 50000 Höhenmetern überwinden. Ausserdem regnete es ungewöhnlich viel. Die Gruppe setzte sich vor allem aus Deutschen, einem Schweizer und dem Liechtensteiner Reinold Ospelt zusammen. Am 7. November kam Reinold Ospelt wieder wohlbehalten und glücklich zu Hause in Liechtenstein an. Sein Fazit:  «Ich dachte, dass das jetzt meine letzte grössere Radtour gewesen sei. Ich habe jedoch festgestellt, dass ich da noch locker einige Jahre dranhängen kann.»

«Ich dachte, dass das jetzt meine letzte grössere Radtour gewesen sei. Ich habe jedoch festgestellt, dass ich da noch locker einige Jahre dranhängen kann.»

Lassen wir Reinold Ospelt selber seine Radtour kommentieren:

«Geographie war mein Lieblingsfach in der Schule. Und so kam es, dass ich anlässlich meines 40. Geburtstages beschloss, den Spruch von Wilhelm Busch zu Herzen zu nehmen: «Viel zu spät begreifen viele, die versäumten Lebensziele. Freude, Schönheit der Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur. Darum Mensch sei zeitig weise, höchste Zeit ist’s: reise, reise». Seither habe ich ca. 25 Trekking- und Velotouren absolviert auf beinahe allen Kontinenten. Und nachdem ich die Möglichkeit hatte, bei einer Rad-Weltreise einen Teil der Strecke mitzuradeln, hatte ich mich für Zentral- und Südwest-China entschieden.

Ein Westler tanzt zu chinesischer Musik mit einheimischen Frauen. Und dann begannen die Regentage. Schlimm für einen Schönwetterfahrer wie mich. Aber rein in die Radklamotten und ich habe die nachfolgenden Regentage überlebt.

Start in Xi’an, einer Millionenstadt im Norden von Zentralchina

Begonnen hat die Radtour in Xi’an, einer Millionenstadt im Norden Zentralchinas, bekannt durch seine Terracotta-Armee. Wir waren eine Gruppe von 11 Personen inklusive Leiter und Begleitfahrzeug. Wir fuhren auf verkehrsarmen Nebenstrassen durch eine Mittelgebirgslandschaft, mit zum Teil schweren Etappen (120km lang und 2000 Höhenmeter). Hier dominierte vor allem der Mais- und Gemüseanbau. Und auf einer dieser Etappen passierten wir noch eine 30 km lange Baustelle, unvorstellbar in unseren Breitengraden. Ein Horror war es, denn die Lastwagen, welche einen feinen Staub aufwirbelten, liessen uns darin fast ersticken. Und das Dümmste war: Auf dieser Strecke hatte ich noch zwei Plattfüsse. Am folgenden Ruhetag in Ankang trafen wir am Abend auf einem öffentlichen Platz Chinesinnen beim Tanzen. Und das animierte auch mich, mitzutanzen und der Volksauflauf war perfekt. Ein Westler tanzt zu chinesischer Musik mit einheimischen Frauen. Und dann begannen die Regentage. Schlimm für einen Schönwetterfahrer wie mich. Aber rein in die Radklamotten und ich habe die nachfolgenden Regentage überlebt.

Dem Yangtse entlang

Nach etwa einer Woche trafen wir am Yangtse, einem der grossen Flüsse dieser Welt ein. Der Yangtse ist hier kein Fluss mehr, sondern ein Stausee. Denn am Ende der drei Schluchten wurde ein Riesen-Staudamm errichtet, sodass die Fluten dieses mächtigen Stromes sich ca. 500km zurückstauen. Ganze Dörfer und Städte versanken in den Fluten und die Bewohner wurden in neu errichtete Dörfer umgesiedelt. Dass das nicht ohne Krach, Enttäuschungen und böses Blut ablief, dass kann man sich ja vorstellen. Bevor es weiterging den Yangtse entlang, machten wir noch eine Bootsfahrt in die erste und imposanteste der drei Schluchten. Wir radelten also die kommenden Tage abwechslungsweise bei Regen und Sonnenschein den Fluss aufwärts. Sechs Etappen standen an ohne Ruhetag: jeweils durchschnittlich 90 km lang und 1500 Höhenmeter. Wie ich das schaffte, das ist mir heute noch ein Rätsel. In der Zwischenzeit hatten zwei unserer Mitfahrer noch Pech. Hartmut aus Berlin stürzte in einer Kurve und musste zum Röntgen ins Spital eingeliefert werden. Glücklicherweise blieb es bei Prellungen. Und Hans aus der Nähe von Stuttgart hatte Tage später plötzlich tagelang Fieber. Auch er musste zur Kontrolle ins Spital und bekam Infusionen und musste daraufhin das Bett hüten. Für beide war Velofahren für die nächsten Wochen ein Fremdwort. Sie mussten mit einem Platz im Begleitbus vorlieb nehmen.

Dann war wieder so eine Monster-Etappe angesagt. 140 km und 1400 Höhenmeter. Und am Ende kamen wir in der grössten Millionenstadt Chinas, dem bei uns fast unbekannten Chongqing, an. Zweieinhalb Stunden dauerte die Fahrt mitten durch den Feierabend-Verkehr bis zu unserem Hotel. Was für ein Erlebnis für einen «kleinen» Liechtensteiner. Und in dieser Stadt gab es dann auch einen grösseren Teilnehmer-Wechsel. Vier Personen verliessen die Gruppe und zwei neue stiessen dazu und auch der Gruppenleiter wurde durch eine Gruppenleiterin ersetzt.

Der berühmte «Steinwald»

Gleich am Anfang besuchten wir mit der neuen Gruppe ein Unesco-Weltkulturerbe. Das war eine Felswand, ca. 100–150 Meter lang mit aus dem Felsen gehauenen Buddha-Statuen. Und weiter ging es in den nächsten Tagen und Wochen Richtung Süden und bei dieser Gelegenheit besuchten wir den berühmten «Steinwald». Das ist ein riesiges Gelände mit verwitterten Felstürmen und einer Masse von chinesischen Besuchern. Das war ein Trubel, der mich richtig abgeschreckt hat.

Dann stand der Besuch der berühmten Reis-Terrassen auf über 2000 Metern Höhe auf dem Programm. Hier waren zwei Ruhetage eingeplant. Die Auffahrt war mühsam, 1600 Höhenmeter waren zu bewältigen, sodass die meisten die Strecke mit dem Begleitbus zurücklegten. Oben angekommen war’s regnerisch und kalt. Und es gab nur noch abgeerntete Terrassen zu sehen, ein wenig trostlos das Ganze. Schön wäre es gewesen, wenn die Terrassen in vollem Grün (frisch gepflanzt) oder in goldiger Farbe (kurz vor der Ernte) geglänzt hätten. Aber wir hatten uns mit dem Wetterpech auf unserer Reise (viele Regentage) abgefunden. Ich besuchte dann allein an einem Nachmittag dieses Naturwunder und hatte Glück: der Regen machte genau in dieser Zeit eine Pause.

Viel Regen und ein Erdrutsch

Am folgenden Tag gab’s wieder eine der vielen typisch chinesischen Abfahrten: 20 bis 30 km lang, schöne lang gezogene Kurven, ohne grosses Gefälle und eine breite, gut geteerte Strasse. So was gibt’s nur in China.

Und schon näherten wir uns auf unserer Velotour der vietnamesischen Grenze. Hier wurden die Reis-Terrassen durch Tee-Terrassen abgelöst. Und dann hatten wir wieder mal so eine Pech-Etappe. Nach einer längeren, regnerischen Abfahrt stoppte uns ein Erdrutsch, der die ganze Strasse verschüttet hatte. Für die Begleitfahrzeuge gab es kein Durchkommen. Sie mussten umkehren und einen grösseren Umweg in Kauf nehmen. Wir Radfahrer trugen die Velos ein Stück durch den Wald und den Rest der Strecke durch den lehmigen Sumpf des Erdrutsches. Wie wir dann wieder ausgesehen hatten! In einem nahen Strassengraben, der etwas Wasser führte, reinigten wir uns und unsere Velos. Und immer näher kam die laotische Grenze. Wir trafen in der letzten Provinzhauptstadt ein, wo es wieder einen Ruhetag gab. Von da weg fehlten nur noch drei Etappen bis zur Grenze. Jetzt dominierte bereits der Dschungel links und rechts von der Strasse und wenn man zu einem Aussichtspunkt hochfuhr, sah man nur Berge und Hügel bedeckt mit Dschungel. Nach acht Wochen Fahrt durch Zentral- und Südwest-China galt es für mich nun Abschied nehmen. Denn Laos hatte ich schon vor Jahren auf einer Velotour kennengelernt. Und dann wollte ich lieber noch weitere Länder besuchen als eines davon zweimal.

Fazit meiner Reise

China hat mich sehr überrascht. Tolle, verkehrsarme Nebenstrassen, rücksichtsvolle Autofahrer uns Radfahrern gegenüber (nur das ständige Hupen geht einem Europäer wirklich auf die Nerven), gutes Essen, meist schöne Hotels und eine freundliche Bevölkerung. Nur die Etappen hatten es in sich. Ich habe mir diese Gegend nie so gebirgig vorgestellt. Ich war der Einzige der Gruppe, der sämtliche Etappen zwischen Xi’an und der laotischen Grenze absolviert hat: 4000 Kilometer und 50000 Höhenmeter. Und das mit 70 Jahren und einem «schweren» Touren-Rad. Eigentlich hatte ich Torschluss-Panik vor Beginn der Reise. Ich hatte mir gedacht, das ist die letzte Gelegenheit eine anständige Tour zu fahren, bevor ich anfange mit dem Donau-Radweg. Aber oho, ich habe festgestellt, ich kann da locker noch ein paar Jahre anhängen.»

Die Radtour von Reinhold Ospelt kann unter folgender Website angeschaut werden: www.weltweit.bike

Reinold Ospelt, 71 Jahre.

Er betreibt seit bald 40 Jahren erfolgreich ein eigenes Geschäft und ist Geschäftsführer der Reinold Ospelt AG in Vaduz. Die Tätigkeiten: Druckerei und Beschriftungen. Die Leidenschaft von Reinold Ospelt: Reisen in fremde Länder, ursprünglich zu Fuss, die letzten zwei Jahrzehnte mit dem Rad.