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Vogel des Jahres

Der Neuntöter – Ein echter Spiesser …
von Georg Willi, Ornitologe, Mauren

Neunmalkluge Vorratshaltung

Genau neun Beutetiere sollen es sein, die der Neuntöter nacheinander auf Pflanzendornen aufspiesst, bevor er sie frisst. Das brachte dem Neuntöter zwar seinen Namen ein, gehört aber ins Reich der Märchen. Unbestritten ist dagegen die grosse Bedeutung eines guten Angebots an Käfern, Heuschrecken, Grillen und anderen Grossinsekten als Nahrung, die er gerne auch als Vorrat aufspiesst.

Hecken und Dornengebüsch sollen es sein

Um die Beute aufspiessen zu können, braucht es dornige Büsche, in die der Neuntöter meistens auch sein Nest anlegt. Überhaupt besiedelt er halboffene, abwechslungsreiche Kulturlandschaften mit einem ausreichenden Angebot an Hecken und Sträuchern. Besonders gern besiedelt werden südexponierte, extensiv genutzte Weideflächen, aber auch Moore können eine Rolle als Bruthabitat spielen.

Interessante Zugwege

Forscher gehen davon aus, dass der Neuntöter aus der Region des Kaspischen Meeres stammt und sich von dort nach Westen und Osten ausgebreitet hat. Darauf weisen seine Zugwege hin, die über den östlichen Mittelmeerraum in die Überwinterungsgebiete im südlichen Afrika und im Frühjahr zurück über eine östlichere Route in unsere Brutgebiete führen, wo er bei uns anfangs Mai eintrifft. Man nennt dies einen Schleifenzug, wenn Hin- und Rückweg auf getrennten Routen erfolgen.

Ohne Büsche kein Neuntöter

Wird die landwirtschaftliche Nutzung im Lebensraum des Neuntöters intensiviert, nimmt die Insektendichte drastisch ab, das Nahrungsangebot verschlechtert sich und der Bruterfolg sinkt, die Reviere werden über kurz oder lang aufgegeben. Dem Neuntöter kann deshalb nur mit folgenden Massnahmen geholfen werden:

  • In ausgeräumten Landschaften pflanzen von Einzelsträuchern (Heckenrose, Schwarzdorn u.a.) oder Belassen von kleinen Verbuschungsinseln, die aber regelmässig gepflegt werden, um Nistmöglichkeiten zu schaffen und zu erhalten.
  • Artenreiche Blumenwiesen im Revier des Neuntöters begünstigen die Insektenvielfalt. Eine räumlich und zeitlich gestaffelte Mahd in der Umgebung von Neuntöter-Brutplätzen schafft ein ausreichendes Nahrungsangebot während der gesamten Jungenaufzuchtsphase.
  • Feldwege im Brutgebiet des Neuntöters dürfen nichtasphaltiert werden, da er bei schlechtem Wetter zur Nahrungssuche gerne auf kiesige Feldwege oder andere vegetationsarme Stellen ausweicht.

Noch vorhanden!

In Liechtenstein brüteten noch bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts drei Würgerarten: Raubwürger, Rotkopfwürger und eben der Neuntöter. Letzterer ist heute noch der einzige Würger, der in Liechtenstein vorkommt, doch auch sein Bestand ist in den letzten Jahrzehnten besorgniserregend zurückgegangen. Die Art ist bei uns vom Aussterben bedroht, es gibt höchstens noch 3–5 Paare, wobei vor allem das Ruggeller Riet noch regelmässig besiedelt wird. Mehr zum Vorkommen des Neuntöters in Liechtenstein wie auch aller anderen Brutvögel in unserem Land erfährt man im «Brutvogelatlas des Fürstentums Liechtenstein», der gratis auf dem Amt für Umwelt erhältlich ist.