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60Plus | Gesundheit | Juni, 2023
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Impfungen für Senioren

von Lorenz Risch

Es ist allgemein anerkannt, dass Impfungen einen erheblichen Beitrag zur Verbesserung der Volksgesundheit geleistet haben. Der grosse Nutzen von Impfungen überwiegt bei Weitem das geringe Risiko relevanter Nebenwirkungen. In der Geschichte konnten schwerwiegende Krankheiten wie Pocken oder Kinderlähmung dank Impfungen gänzlich oder nahezu ausgerottet werden.

Obwohl es bekannt ist, dass es Impfpläne für Neugeborene und Kinder gibt, die von Gesundheitsbehörden und medizinischen Fachgesellschaften empfohlen werden, ist es weithin unbekannt, ob es solche Empfehlungen auch für Senioren gibt. Dies führt leider dazu, dass Senioren oft keinen optimalen Impfschutz haben und unnötig oder schwerwiegend erkranken. Diese Erkrankungen können bestenfalls lästig sein, aber manchmal führen sie zu einer verzögerten Genesung und Schwächung des Allgemeinzustands, was insbesondere im Alter folgenschwer sein kann.

Impfungen basieren auf der Tatsache, dass der Körper eine Immunantwort gegen eine Krankheit entwickelt, ohne dass die Person tatsächlich erkrankt. Aufgrund des immunologischen Gedächtnisses können geimpfte Personen einen Erreger bei einer späteren Infektion schnell neutralisieren, ohne dass es zu einer Erkrankung kommt.

Ich persönlich habe auch ein Motiv, dies zu tun, da ich miterlebt habe, wie mein Vater im Alter von 78 Jahren an Keuchhusten erkrankt ist.

Die folgenden Zeilen sollen die offiziellen Empfehlungen bezüglich Impfungen bei Senioren beleuchten, damit Senioren ihren Impfschutz mit ihren betreuenden Ärztinnen und Ärzten besprechen und den Impfschutz auf den neuesten Stand bringen können. Ich persönlich habe auch ein Motiv, dies zu tun, da ich miterlebt habe, wie mein Vater im Alter von 78 Jahren an Keuchhusten erkrankt ist. Sein Impfschutz war nicht ausreichend, und über einen Zeitraum von etwa 4 Monaten litt er täglich unter lang andauernden Hustenanfällen, die so stark waren, dass es oft auch zu Brechreiz gekommen ist. Von den Hustenanfällen tagsüber ganz zu schweigen. Im Rückblick sagt er, dass er sich in seinem ganzen Leben noch nie so krank gefühlt hat. Es ist mir ein Anliegen, dazu beizutragen, dass andere nicht unnötig einen solch elenden Zustand erleben müssen.

In Deutschland gibt es die Ständige Impfkommission (STIKO) des Robert Koch-Instituts (RKI), die den Impfkalender herausgibt. Die spezifischen Empfehlungen für das Seniorenalter umfassen 6 Krankheiten [1], wobei die Empfehlungen für die COVID-19-Impfung an anderer Stelle geregelt sind. Es handelt sich hierbei primär um Keuchhusten, Gürtelrose, Pneumokokken und Grippe.

Herpes zoster (Gürtelrose)

Die Windpocken werden durch das Varizella-Zoster-Virus verursacht und treten in der Regel im Kindesalter auf. Es handelt sich um eine äusserst ansteckende Erkrankung, die durch Tröpfcheninfektion übertragen wird. Obwohl die Windpocken abheilen, verbleiben die Viren lebenslang in den Nervenzellen und können unter bestimmten Umständen an den Nervenenden reaktiviert werden, was zu einer erneuten Erkrankung führen kann. Diese Reaktivierung manifestiert sich als Herpes zoster mit Hautläsionen (Bläschen) und möglicherweise begleitenden brennenden, starken Schmerzen, die im schlimmsten Fall über Monate oder Jahre bestehen bleiben können. Gürtelrose ist viel weniger ansteckend, nur der Inhalt der Bläschen ist infektiös; es erfolgt keine Tröpfcheninfektion. Für die Gürtelrose steht ein sehr wirksamer Totimpfstoff zur Verfügung, der ab dem Alter von 60 Jahren mit zwei Dosen im Abstand von 2 bis 6 Monaten verabreicht werden sollte. Dieser schützt vor dem Auftreten von Gürtelrose und allfälligen Schmerzen.

Pertussis (Keuchhusten)

Keuchhusten ist eine Krankheit, gegen die bereits in der Kindheit geimpft wird. Lange Zeit war nicht bekannt, dass eine Auffrischungsimpfung im Erwachsenenalter wichtig ist. Im Verlauf des Lebens sollten insgesamt drei Dosen der Pertussis-Impfung verabreicht worden sein, wobei die letzte Dosis nach dem 18. Lebensjahr erfolgen sollte. Diese Auffrischimpfung im Alter findet sich meiner Erfahrung nach bei Erwachsenen zu wenig.

Pneumokokken

Pneumokokken sind Bakterien, die für eine Vielzahl von Erkrankungen verantwortlich sind, die auch lebensbedrohlich verlaufen können. Pneumokokken sind für die Mehrzahl der bakteriellen Lungenentzündungen verantwortlich. Eine Impfung verringert das Risiko, an einer Pneumokokkeninfektion zu erkranken oder Komplikationen durch schwere Erkrankungen zu erleiden. Ab dem Alter von 60 Jahren sollte ein Impfstoff verwendet werden, der 23 verschiedene Pneumokokkenstämme abdeckt. Obwohl es aufgrund einer abnehmenden Immunantwort sinnvoll erscheint, alle 6 Jahre eine Auffrischungsimpfung durchzuführen, wird eine solche im Moment noch nicht generell empfohlen.

Die Grippe kann schwere Verläufe nehmen, insbesondere auch bei älteren Personen, zum Beispiel in Form einer Lungenentzündung.

Grippe (Influenza)

Jedes Jahr kommt es im Winter zu einer Grippewelle. Die Grippe wird durch Influenzaviren verursacht, die sich stark verändern können. Die Grippe kann schwere Verläufe nehmen, insbesondere auch bei älteren Personen, zum Beispiel in Form einer Lungenentzündung. Personen über 60 Jahren sollten sich jährlich gegen Grippe impfen lassen, um immunologisch mit den Veränderungen des Virus Schritt zu halten. Die ideale Zeit dafür ist von Oktober bis Mitte Dezember. Um den bestmöglichen Schutz zu gewährleisten, sollte idealerweise ein sogenannter tetravalenter Impfstoff verwendet werden.

Mein Rat ist, dass Sie sich Ihren Impfausweis anschauen und überprüfen, ob bei Ihnen der Impfschutz gegen die oben genannten Erkrankungen besteht. Falls dies nicht der Fall sein sollte, empfehle ich Ihnen, mit Ihrer Hausärztin oder Ihrem Hausarzt über Ihren Impfstatus zu sprechen. In diesem Gespräch können der Nutzen und die Risiken einer Impfung in Ihrem individuellen Kontext erörtert werden, und gemeinsam können Sie eine fundierte Entscheidung treffen.

Obwohl Impfungen keinen absoluten Schutz vor Erkrankungen bieten können, können sie das Risiko einer Erkrankung und möglicher Folgen erheblich verringern. Dies ist letztendlich ein gutes Beispiel für praktisch wahrgenommene Eigenverantwortung, von der sowohl das Individuum als auch die Gesellschaft als Ganzes profitieren.

Referenzen

[1] Robert Koch Institut.Impfkalender 2023 – Empfehlungen der ständigen Impfkomission. Abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Materialien/Downloads-Impfkalender/Impfkalender_Deutsch.pdf?__blob=publicationFile

Lorenz Risch ist Facharzt für Innere Medizin sowie für medizinische und chemische Labordiagnostik. Er ist Professor für klinische Biochemie an der Universität Bern. An der Harvard University in Boston hat er ein Masterstudium in Public Health absolviert. Diese Studienrichtung beschäftigt sich mit dem öffentlichen Gesundheitswesen und der Verbesserung der Volksgesundheit.