zurück
60Plus | Im Blickpunkt | August, 2020
A A

Corona-Krise: Wie ich sie als Hausarzt erlebt habe

Gastbeitrag von Dr. Hannes Meier, Eschen

Bis vor kurzem war bei es uns im Land bezüglich Corona recht ruhig, mehr als zwei Monate waren keine neuen Covid-19-Fälle zu verzeichnen (Stand Anfang Juli). Am 2. Juli dann wieder ein bestätigter Covid-19 Fall im Fürstentum, Fortgang bei Redaktionsschluss ungewiss.

Ich denke, dass die Massnahmen der Regierung gerechtfertigt waren und sind, wenn man die Bilder aus Italien, später Spanien, Frankreich und New York gesehen hat, wie dort das Gesundheitssystem kollabierte, täglich mehrere Hunderte Tote zu beklagen waren.

Natürlich waren es sehr einschneidende Massnahmen, die für die meisten für uns im Vorfeld völlig undenkbar und neu gewesen waren. Viele Leute werden die Folgen der Krise noch lange spüren.

Man denke nur an Norditalien, wo ein Champions-League-Fussballmatch war und einige Tage später die Covid-19 Fallzahlen geradezu explodierten. Oder auch an Heinsberg in Deutschland, wo eine Faschingsgesellschaft sehr viele Covid-Fälle zu beklagen hatte.

Liechtenstein hatte das Glück auf seiner Seite

Meines Erachtens hatte Liechtenstein auch das Glück auf seiner Seite: Wenn uns die Corona-Welle z.B. in der Fasnacht erreicht hätte mit ihren Massenansammlungen von Menschen, hätte es zweifellos mehr Erkrankte und wahrscheinlich auch Tote gegeben. Man denke nur an Norditalien, wo ein Champions-League-Fussballmatch war und einige Tage später die Covid-19 Fallzahlen geradezu explodierten. Oder auch an Heinsberg in Deutschland, wo eine Faschingsgesellschaft sehr viele Covid-Fälle zu beklagen hatte. Oder auch Skigebiete wie Ischgl in Österreich, wo es mutmasslich durch einen betroffenen Barkeeper im Après Ski-Bereich explosionsartig zur Covid-19-Verbreitung kam. 40 % der Krankheitsfälle in Österreich seien auf Ischgl zurückzuführen, hiess es in den Medien. Auch zu erwähnen ist die Fasnacht im Tessin, auf welche sehr viele Covid-19 Fälle im Tessin zurückgeführt werden.

Ich denke, wir können uns nicht beklagen. In unserer ländlichen Umgebung hat es viel Platz, man kann z.B. alleine oder mit jemandem zusammen (mit den empfohlenen zwei Metern Abstand – jetzt 1.5 Meter) schnell in die freie Natur gehen. Demgegenüber hatten Chinesen oder Italiener deutlich mehr Opfer zu bringen: Dort waren viele über Wochen in kleinen Wohnungen quasi eingesperrt.

Gehören Pensionisten generell zur Risikogruppe?

Menschen ab dem Alter 65 werden generell der Risikogruppe zugerechnet. Dies darf nicht als Diskriminierung angesehen werden. Dem zugrunde liegen wissenschaftliche Daten, die zeigen, dass die Schwere der Erkrankung an Covid 19 unter anderem mit dem Alter ansteigt. Das Immunsystem im Alter wird schwächer; es ist der natürliche Verlauf im Leben, dass man mit den Jahren mehr chronische Erkrankungen entwickelt wie Diabetes, Bluthochdruck, Herzerkrankungen etc.

Die Corona-Krise: Wie ich sie als Hausarzt erlebt habe

Mit Beginn der einschneidenden Massnahmen durften wir in den Arztpraxen nur noch sehr wichtige, dringende, unaufschiebbare Behandlungen durchführen. Einerseits wegen des potentiellen Ansteckungsrisikos in übervollen Wartezimmern, andererseits, denke ich, sollten für den worst case Ressourcen bereitgehalten werden.

Auf einen Schlag war in den meisten Praxen des Landes nur noch sehr wenig los. Ungewohnt, wenn man sonst einen voll mit Patiententerminen durchgetakteten Tag hatte.

Vorsorgeuntersuchungen, Routine-Kontrollen von Blutwerten etc. mussten abgesagt werden, ebenso Visiten in den Pflegeheimen. Auf einen Schlag war in den meisten Praxen des Landes nur noch sehr wenig los. Ungewohnt, wenn man sonst einen voll mit Patiententerminen durchgetakteten Tag hatte. Persönlich nutzte ich die Zeit für viele Online-Fortbildungen. Medizinische Online-Fortbildungen, Expertenchats, wo man mit Infektiologen diskutieren konnte, sind richtiggehend wie Pilze aus dem Boden geschossen. Auch hatten wir in der Praxis für einmal vermehrt Zeit, aufzuräumen und zu entrümpeln. Auch wurden in der Praxis Anpassungen gemacht: Plexiglas, Abstandmarkierungen, Anpassen der Homepage.

Gute Zusammenarbeit zwischen Landesspital und niedergelassenen Ärzten

Die Corona-Tests (Nasenabstriche) wurden zentral durchgeführt, zunächst im Landesspital, danach in der Marktplatzgarage in Vaduz in Zusammenarbeit mit der Ärztekammer. Unsere MPAs (medizinische Praxisassistentinnen) wurden angefragt, in der Marktplatzgarage Rachenabstriche zu entnehmen. Sie arbeiteten und arbeiten immer noch motiviert dort mit. Wir niedergelassenen Ärzte wurden angefragt, in der Corona-Hotline mitzuarbeiten. Ich tat und tue dies immer noch gerne. Anfang Juli sind die Anzahl Telefonanrufe stark angestiegen.

Fast wieder Rückkehr zur Tätigkeit wie vor Corona

In den Praxen dürfen wir mittlerweile wieder fast normal arbeiten, natürlich mit einem Sicherheitskonzept, das unter anderem Maske, Plexiglas, allgemeine Massnahmen, wie Vermeidung von Menschenansammlungen etc. beinhaltet. Wir sehen täglich Patienten, die sich mit Maskentragen schwer tun, andere nehmen es mit Humor. Auch haben wir Patienten, die sich kaum trauen, in die Praxis zu kommen, andere sind schon etwas genervt und schimpfen über diese «Corona-Hysterie».

Es besteht die Gefahr, eine potentiell behandelbare Krankheit zu verschleppen und irreparable Schäden davonzutragen.

Sie sollten jetzt wieder persönlich in die Praxen kommen, wenn Sie medizinische  Probleme haben

Gemäss Presseberichten sind Herzinfarkte und Hirnschläge in der Corona-Krise zurückgegangen. Hier stellt sich die Frage, ob dem wirklich so ist, oder ob sich die Menschen mehr getrauten, mit z.B. Herzschmerzen sich bei den Praxen oder im Spital zu melden und persönlich vorbeizukommen. Es besteht die Gefahr, eine potentiell behandelbare Krankheit zu verschleppen und irreparable Schäden davonzutragen. Ein persönlicher Kontakt beim Arzt Ihres Vertrauens ist doch besser als eine Telefonkonsultation. Haben Sie keine Angst, kommen Sie in die Praxis!

Leben mit dem Virus

Insgesamt gehen wir grossen Schrittes Richtung Normalität. Meines Erachtens sollten wir dankbar sein, dass wir relativ glimpflich davongekommen sind.

Es gibt aber viele Mitmenschen, deren Existenz gefährdet ist (ich denke an Beizenbesitzer, Kleinbetriebe und Ähnliches). Der Staat hat diverse Unterstützungsmodelle installiert; in der Bevölkerung ist eine allgemeine Solidaritätswelle mit Hilfsangeboten entfacht worden.

Aus den gewonnenen Erfahrungen können und müssen wir lernen. Wahrscheinlich können wir die Corona-Krise noch nicht abhaken. Meiner Meinung nach müssen wir lernen, noch eine Zeit lang mit dem Virus zu leben, sei es mit den viel zitierten Hygienemassnahmen, insbesondere Distanzhalten, Händewaschen oder mit Mundschutzmasken (die ich früher bei Asiaten belächelt hatte), wenn viele Menschen auf einem Fleck sind.

Ja, Corona hat die Welt verändert – machen wir das Beste daraus!

Kurzporträt

1975 Geburt im Kantonsspital St. Gallen. Dann Primarschule Eschen. 1995 Matura Typus B, Liechtensteinisches Gymnasium Vaduz. Studium der Humanmedizin in Innsbruck. Dissertation zum Doktor der gesamten Medizin 2002. Danach Ausbildung zum Facharzt Allgemeine Innere Medizin FMH in den Spitälern Grabs, Klinik Valens, Kantonsspital St. Gallen, Facharztprüfung 2008.

Übernahme der Praxis des Vaters Dieter Meier in Eschen 2009. Seither Hausarzt mit Leib und Seele, Heimarzt Pflegeheim LAK Eschen und danach auch Mauren. Vereinsarzt Samariter SVLU.

Verheiratet, ein Sohn (neunjährig). Hobbys: Sport allgemein (v.a. Biken, Schwimmen), Lesen, Gitarre.