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60Plus | Im Blickpunkt | Dezember, 2020
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«Enkeltrickbetrüger» sind auch in Liechtenstein aktiv

Laut Auskunft von Sibylle Marxer, Stabsstelle für Medien- und Öffentlichkeitsarbeit der Landespolizei, kommt es auch in unserem Land immer wieder zu Enkeltrickversuchen. Die Betrüger und Betrügerinnen versuchen mit äusserst raffinierten Tricks an das Geld von älteren und alten Menschen zu kommen.

Wir danken Kripochef Andreas Schädler für seinen Beitrag, in dem er die Leserinnen und Leser über die Methoden der Enkeltrickbetrüger informiert und über das richtige Verhalten in einem solchen Falle aufklärt.

Als Einleitung die Frage: Um was geht es dabei?

Der Enkeltrick ist leider bereits ein Klassiker in der Sparte Betrugsdelikte. Aber wie es bei Klassikern so ist, gibt es auch hier Cover-Versionen. In der Regel gibt sich der Betrüger oder die Betrügerin beim Enkeltrick am Telefon als Verwandter (z.B. Enkel oder Neffe etc.) aus, der in einer finanziellen Notlage sei und dringend die Hilfe seiner Familie benötige. Das Geld könne er jedoch nicht selbst abholen, weshalb er einen Boten schicken werde.

Wie funktioniert der Enkeltrick? 

  1. Das Opfer erhält einen Telefonanruf von einem vermeintlichen Verwandten. Hierbei sind die Betrüger sehr geschickt, dem Opfer selbst sowohl den Namen als auch die Lebensumstände des vermeintlichen Verwandten zu entlocken und diese Informationen später ins Gespräch einzuflechten.
  2. Der vermeintliche Verwandte erzählt eine komplizierte Geschichte, warum er jetzt dringend Geld braucht. Ziel der Geschichte ist, das Opfer in Sorge um den vermeintlichen Verwandten zu versetzen und Zeitdruck aufzubauen.
  3. Der Täter bittet das Opfer dann um ein Darlehen. Dabei gehen die Täter besonders raffiniert vor und versuchen vorher in Erfahrung zu bringen, wie viel Geld das Opfer aufbringen könnte.
  4. Anschliessend präsentiert der Täter eine zweite komplizierte Geschichte, warum er das Geld nicht selbst in Empfang nehmen kann.
  5. Zum Schluss wird eine Form von Zeitdruck erzeugt, das heisst. es muss zu einer sofortigen Übergabe des Geldes kommen. Nachdem das Opfer nunmehr in Angst oder zumindest Sorge um das Wohlergehen des vermeintlichen Verwandten ist, wird weiterer Druck erzeugt, indem das Ganze eine dringliche Dimension erhält. Dies soll verhindern, dass das Opfer mit jemandem darüber spricht, sich Rat holt oder die Angelegenheit überdenkt.

Varianten des Enkeltricks

Wie bereits erwähnt, gibt es Varianten des Enkeltricks. Im Folgenden die Bekanntesten:

«Vermeintlicher Polizist»

Wenn das Opfer den Betrug vermutet und die Geldübergabe deshalb verzögert, erhält das Opfer plötzlich einen Anruf von einem vermeintlichen Polizisten (ebenfalls ein Betrüger). Dieser überredet das Opfer, die Anweisungen dennoch zu befolgen, damit man den Betrüger in flagranti erwischen und festnehmen könne. Als nächstes verabredet sich der vermeintliche Polizist mit dem Opfer bei der Bank und übergibt das Geld dem Betrüger, der sich anschliessend mit dem vermeintlichen Polizisten aus dem Staub macht.

«Angeblicher Schulfreund»

Betrüger müssen sich nicht notwendigerweise als Enkel oder Verwandter ausgeben. Sie können sich auch als alten Schulfreund oder früheren Bekannten vorstellen. Da die Fantasie der Betrüger fast keine Grenzen kennt, ist es wichtig, die folgenden Ratschläge zum Thema Enkeltrick zu beachten.

«Vorsicht vor falschen Polizisten und echt aussehenden Telefonnummern!»

Wenn ein angeblicher Polizist oder eine angebliche Polizistin Sie anruft und dazu bringen will, grössere Geldsummen abzuheben, jemandem zu übergeben oder irgendwo zu deponieren, dann müssen bei Ihnen sofort alle Alarmglocken klingeln! Denn mit dem Ausfragen Ihrer Bankguthaben versuchen die Täter, sich ein Bild darüber zu machen, ob Sie ein lohnendes Ziel sind. Verhindern Sie den Betrugsversuch, indem Sie das Gespräch sofort beenden und bei der Polizei über die Notrufnummer 117 erzählen, was passiert ist.

Um zusätzlichen Druck auf die älteren Personen auszuüben, wird mit Strafandrohungen gedroht und das Gespräch mit Geräuschen von weinenden Personen im Hintergrund emotional verstärkt.

«Schockanruf: Trickbetrüger setzen auf Angst der Angerufenen»

Ein angeblicher Anwalt ruft an, weil die Tochter einen Autounfall gehabt haben soll und das mit einem unversicherten Auto. Aus diesem Grund müsse man nun eine Zahlung von mehreren Tausend Franken leisten, um einen Gefängnisaufenthalt der Tochter zu verhindern. Um zusätzlichen Druck auf die älteren Personen auszuüben, wird mit Strafandrohungen gedroht und das Gespräch mit Geräuschen von weinenden Personen im Hintergrund emotional verstärkt. Die Täter setzen auf den Schockmoment. Sie wollen den Verstand der Opfer sozusagen außer Kraft setzen und zum unüberlegten Handeln verleiten. Indem sich die Betrüger als Polizisten oder Anwälte ausgeben, wollen sie Authentizität vermitteln. Damit die Opfer nicht lange überlegen können, stehen bereits kurze Zeit nach dem Anruf uniformierte Personen vor der Haustür, um das Geld abzuholen.

«Corona-Enkeltrick»

Ältere Menschen werden von Unbekannten angerufen und diese geben sich als Angehörige aus, die sich mit dem Virus infiziert hätten, im Krankenhaus liegen und nun dringend Geld für teure Medikamente bräuchten. Dann wirdvereinbart, dass in Kürze jemand an der Wohnanschrift der Angerufenen vorbeikommt, um das Geld abzuholen. Wenig später erscheinen Personen und holen Geld und Wertsachen ab. Der grösste Irrglaube: «Mir kann so etwas nicht passieren.»

Denn es werden nicht nur die naiven, weltfremden oder dementen Menschen zu Opfern, sondern gerade auch solche, die mit beiden Beinen im Leben stehen.

Soziale Verantwortung, Hilfsbereitschaft und der Glaube an das Gute im Menschen sind sicher gute Eigenschaften, doch leider auch solche, die besonders anfällig machen für Trickbetrug: Denn es werden nicht nur die naiven, weltfremden oder dementen Menschen zu Opfern, sondern gerade auch solche, die mit beiden Beinen im Leben stehen. Betrüger bauen innerhalb kurzer Zeit grossen psychischen Druck auf und lösen ein Gefühl der Verpflichtung zur Hilfeleistung aus. Deshalb darf man niemals die Macht der Manipulation unterschätzen!

Wie soll man sich bei Verdacht und wenn so ein Anruf kommen sollte, richtig verhalten?

 

Die Landespolizei rät:

  • Seien Sie immer misstrauisch, wenn Sie einen angeblichen Verwandten am Telefon nicht sofort erkennen. Stellen Sie ihm Fragen, die nur echte Familienmitglieder richtig beantworten können.
  • Nennen Sie niemals Namen Ihrer Verwandten am Telefon. Sagen Sie bei angeblichen Notfällen, Sie müssten erst Rücksprache halten und legen Sie einfach den Hörer auf. Dann wählen Sie eine Ihnen vertraute Nummer Ihrer Familie und überprüfen die Information.
  • Übergeben Sie niemals Geld oder Wertsachen an Unbekannte! Wenn Sie einem Verwandten etwas schenken wollen, dann tun Sie das immer persönlich.
  • Geben Sie niemandem Auskünfte über Ihr Vermögen im Haus oder auf der Bank.
  • Wenn Ihnen ein Anrufer verdächtig vorkommt, informieren Sie sofort die Polizei (Notruf 117).
  • Für Altersheime und Angehörige von Hochbetagten ist es wichtig, die Telefonnummern der Hochbetagten nicht zu veröffentlichen und an unbekannte Personen weiterzugeben.
  • Informieren Sie andere Verwandte und Bekannte über den Trick.

Warum sind dabei eigentlich nur ältere und alte Personen betroffen?

Bei einer Studie wurde festgestellt, dass Senioren vertrauenswürdige und neutrale Personen richtig einstuften, wenig vertrauenswürdige Menschen jedoch zu positiv beurteilten. Ein für die instinktive Risikoabschätzung wichtiges Zentrum ihres Hirns reagiert weniger stark, so dass das warnende Bauchgefühl fehle bzw. es besteht eine geringere Empfänglichkeit für negative Reize. Oftmals sind Senioren auch alleinstehend und können niemand spontan um Rat fragen.

Hat es in Liechtenstein auch schon solche Versuche gegeben und waren solche auch erfolgreich?

Es kommt regelmässig zu solchen Betrugsversuchen. Sobald die Landespolizei Kenntnis davon hat, informiert sie über Medienmitteilungen, Radio oder über die sozialen Medien und warnt die Bevölkerung.

Leider gab es in Liechtenstein in der Vergangenheit einige wenige Fälle, bei denen es zur Übergabe von Bargeld kam und bei welchen ein Vermögensschaden von über CHF 100 000.– entstanden ist. In einem Fall konnte die Landespolizei einen Ermittlungserfolg erzielen, indem eine Person, die das Geld abholen wollte, auf frischer Tat verhaftet werden konnte.

Eine Factbox «Das müssen Sie wissen»:

  • Die Täterinnen oder Täter sprechen Hoch- oder Schweizerdeutsch.
  • Telefonnummern können technisch manipuliert werden! Sie dürfen also nicht davon ausgehen, dass beispielsweise ein Anruf mit einer Schweizer Vorwahl wirklich aus der Schweiz getätigt wurde oder dass man aufgrund einer auf dem Display erscheinenden Telefonnummer auf die wahre Identität des Anrufers schliessen kann. Die Polizei wird Sie niemals telefonisch kontaktieren und um Ihre Wertsachen bitten.

Andreas Schädler, Kripochef der Landespolizei

Andreas Schädler absolvierte ein Studium zum Betriebsökonomen HWV und schloss zwei Nachdiplomstudien im Treuhandwesen sowie in Economic Crime Investigation ab. Er war in verschiedenen Finanzunternehmen tätig, ehe er 2001 als Finanzermittler zur Landespolizei wechselte. 2005 wurde ihm die Funktion des stellvertretenden Leiters des Kommissariats Wirtschaftskriminalität übertragen und 2013 erfolgte die Ernennung zum Chef der Kriminalpolizei. Andreas Schädler ist 48 Jahre alt, veheiratet und hat drei Kinder. Er wohnt in Triesenberg.