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60Plus | Gesundheit | Dezember, 2023
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Wie wichtig ist Tageslicht für die Gesundheit?

von Lorenz Risch

Im Jahresverlauf werden die Tage gegen Winter hin kürzer. Bald nach dem Erscheinen dieses Heftes, am 22. Dezember 2023, ist der kürzeste Tag im Jahr. Die Tagesdauer beträgt mit einem Sonnenaufgang um 08:07 und einem Sonnenuntergang um 16:28 in Vaduz nur 8 Stunden und 21 Minuten. 

An diesem auch Wintersonnenwende genannten Tag, der den ersten Tag des astronomisch bestimmten Winters bezeichnet, steht die Sonne im Jahresverlauf mit einem sehr flach einfallenden Licht auch am tiefsten. Umgekehrt steht die Sonne an der Sommersonnenwende (dem Tag des Sommerbeginns am 21. Juni) am höchsten und die Tagesdauer ist mit 15 Stunden und 55 Minuten (Sonnenaufgang 04:27, Sonnenuntergang 20:22) fast doppelt so lang wie jene an der Wintersonnenwende. Diese astronomisch-meteorologischen Betrachtungen zeigen die doch beträchtlichen Unterschiede in der Dauer und der Art der Einstrahlung des Sonnenlichts im Jahresverlauf. Es ist nur verständlich, wenn man sich in diesem Zusammenhang fragt, ob es zwischen Tageslicht und Gesundheit einen Zusammenhang gibt und ob man diesbezüglich den Lebensstil im Sinne eines gesünderen Verhaltens beeinflussen kann. 

Sonnenlicht und Vitamin D

Vitamin D ist nur in ganz wenigen Nahrungsmitteln enthalten und beim Menschen für adäquate Calcium- und Phosphat-Spiegel zuständig. Diese Mineralstoffe ermöglichen wiederum eine ausreichende Knochenmineralisierung sowie Knochenwachstum und Knochenumbau. Im Weiteren hat Vitamin D einen günstigen Einfluss auf Entzündungsprozesse und nimmt eine Rolle ein in der Modulation von Zellwachstum, der Immunfunktion, der neuromuskulären Funktionen sowie dem Glucosestoffwechsel. Obwohl schlüssige Erkenntnisse noch ausstehend sind, weist einiges darauf hin, dass ein ausreichender Vitamin D-Spiegel und die Vitamin D-Gabe im Rahmen der COVID-19 Pandemie auch teilweise präventive Eigenschaften bezüglich Ansteckung sowie bessere Verläufe bei Erkrankung gezeigt haben. 

Vitamin D wird beim Menschen einerseits durch Einnahme mit der Nahrung oder Nahrungsergänzungsmitteln, andererseits aber vor allem durch Einwirkung von Sonnenlicht auf die Haut beeinflusst (Abbildung 1). Die Menge an gebildetem Vitamin D ist dabei neben dem Hauttyp sowie der Dauer und Stärke der Sonneneinstrahlung abhängig vom Alter, wie wir dies u. a. in der Seniorlab-Studie, einer Studie an rund 1300 Senioren, zeigen konnten (Abbildung 2) [1]. 

Im Vergleich mit einer 20-jährigen Person produziert z. B. die Haut einer 70-jährigen Person unter vergleichbaren Bedingungen nur noch die Hälfte an Vitamin D. Das Schweizerische Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat in einem Faktenblatt Angaben gemacht, wie gross die Sonnenscheindauer nach Hauttyp und Jahreszeit sein muss, um ausreichend Vitamin D zu produzieren [2]. Dabei wird ersichtlich, dass in den Monaten Dezember und Januar für Senioren eine nennenswerte Vitamin D-Produktion nur bei einem Aufenthalt von 3 bis 5 Stunden während des Vormittags und Mittags möglich wäre, falls die Person eine sehr lichtempfindliche Haut hat. Im Vergleich dazu braucht es im Frühling und Sommer hierzu weniger als eine halbe Stunde. Bei normalen oder dunklen Hauttypen ist es nicht möglich, im Winter genügend Sonnenlicht für eine ausreichende Vitamin D-Produktion zu «tanken», da diese hierfür mehr Lichtexposition benötigen. Die Quintessenz des BAG ist, dass man das Risiko für die Entwicklung eines Vitamin D-Mangels über die Wintermonate nicht mittels vermehrtem Aufenthalt im Tageslicht (welches in den Wintermonaten weniger lang vorhanden und schwächer ist), sondern mittels Zufuhr von Vitamin D senken kann. 

Abbildung 1. Mittelwerte aller Vitamin D-Messungen des Labor Dr. Risch über mehrere Jahre. Es zeigen sich klar tiefere Werte im Winter. Höhere Werte im Sommer 2013 lassen sich mit überaus gutem Wetter erklären. Auf der x-Achse entsprechen die ersten beiden Ziffern dem Jahr, die zweiten beiden Ziffern dem Monat. 

Abbildung 2. Abnahme des Vitamin D-Spiegels bei Gesunden Senioren mit dem Alter [1]. Ein P-Wert kleiner als 0.05 zeigt eine signifikante Abnahme an. 

 

Sonnenlicht und Stimmung 

Seit den 1980er-Jahren wurde vermehrt darüber berichtet, dass es zwischen Jahreszeit (v. a. Herbst und Winter) und depressiver Verstimmung (englisch: seasonal affective disorder, SAD) einen Zusammenhang geben kann. In den leichteren und schwereren Formen dieser depressiven Verstimmung dürfte dies in der Schweiz bei Senioren im Alter rund 10 % bis 20 % der Bevölkerung betreffen [3]. Es konnte auch gezeigt werden, dass bei Personen, welche von SAD betroffen sind, neben Medikamenten vor allem auch eine Lichttherapie einen beträchtlichen positiven Effekt hat [4]. Letztlich ist auch davon auszugehen, dass wer im Winter mehr Tageslicht ausgesetzt ist, vermindert zu SAD neigt [5].

Schlussfolgerung 

Bei den geschilderten Phänomenen des Einflusses von Tageslicht auf Vitamin D-Bildung und Stimmung bestehen sehr komplexe Zusammenhänge. Obwohl biologisch bei Weitem nicht alles verstanden ist, lässt sich ableiten, dass es wahrscheinlich vorteilhaft ist, sich im Winter nach draussen ans Tageslicht zu begeben. Wenn man in der Lage ist, sich mindestens 30 Minuten, zum Beispiel beim Spazierengehen, zu bewegen, dann ist das ebenfalls günstig. Allerdings ist in der kalten Jahreszeit beim Spazierengehen Vorsicht geboten, damit es bei eisigen und glatten Verhältnissen nicht zu Unfällen kommt. Ein Knochenbruch würde die günstigen Effekte einer Tageslicht-Exposition auch im Winter mehr als zunichtemachen.

 

Lorenz Risch ist Facharzt für Innere Medizin sowie für medizinische und chemische Labordiagnostik. Er ist Leiter der Gründung des Instituts für Labormedizin an der Privaten Universität im Fürstentum Liechtenstein und Professor für klinische Biochemie an der Universität Bern. An der Harvard University in Boston hat er ein Masterstudium in Public Health absolviert. Diese Studienrichtung beschäftigt sich mit dem öffentlichen Gesundheitswesen und der Verbesserung der Bevölkerungsgesundheit.

 

Referenzen

1. Sakem B, Nock C, Stanga Z, Medina P, Nydegger UE, Risch M, Risch L. Serum concentrations of 25-hydroxyvitamin D and immunoglobulins in an older Swiss cohort: results of the Seniorab Study. BMC Med. 2013 Aug 1;11:176.

2. Bundesamt für Gesundheit. Vitamin D und Sonnenstrahlung. Faktenblatt per 9.6.2021. Aufrufbar unter: https://www.bag.admin.ch/dam/bag/de/dokumente/str/nis/uv/faktenblatt_vitaminD.pdf.download.pdf/Faktenblatt%20-%20Vitamin%20D%20D.pdf (abgerufen am 8.11.2023)

3. Wirz-Justice A, Graw P, Kräuchi K, Wacker HR. Seasonality in affective disorders in Switzerland. 

Acta Psychiatr Scand Suppl. 2003;(418):92-5.

4. Melrose S. Seasonal Affective Disorder: An Overview of Assessment and Treatment Approaches. 

Depress Res Treat. 2015;2015:178564.

5. Aries M, Aarts M, van Hoof J. Daylight and health: A review of the evidence and consequences for the built environment. Lighting Research & Technology. 2015;47(1):6-27.