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60Plus | Porträt | Dezember, 2018
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Maria Hemmerle, Vaduz

Auch mit 91 Jahren mitten im Leben

Maria Hemmerle wurde am 6. Dezember 1927 als Tochter des Franz Laternser in Vaduz geboren und ist in einer grossen Familie an der Landstrasse in Vaduz aufgewachsen. Ihr Vater war der bekannte «Küafer Franz Laternser». Er hatte viele Jahre an der Landstrasse 246 eine Küferei und nebenbei eine Brennerei und Mosterei betrieben. Heute gibt es in Liechtenstein keinen Küfer mehr. Das Thema Besuch der Realschule war für Maria erledigt, nachdem Vater Franz meinte, dass es für das Arbeiten auf dem Feld und im Weinberg keine Realschulbildung brauche. Und so hat Maria dann auch bis zu ihrer Heirat mit Josef Hemmerle aus Vaduz zu Hause, auf dem Feld und im Weinberg gearbeitet. Maria Hemmerle hat viel dazu beigetragen, dass es der Familie gut gegangen ist. Die Familie war und ist für Maria das Wichtigste in ihrem Leben. Maria Hemmerle sieht positiv in die Zukunft, obwohl ihr nicht alles passt, was heute so in der Welt vor sich geht. Sie hat Humor und jammert nicht. Sie sagt: «Es ist so, wie es ist.»

Maria Hemmerle feierte am 6. Dezember 2018 ihren 91. Geburtstag. Sie hat in ihrem bisherigen langen Leben viel Gutes getan und tut es immer noch, und zwar mit Stricken Das kann sie bestens. Stricken ist die grosse Leidenschaft von ihr. Sie hat schon vielen Menschen mit tausenden unterschiedlichsten Strickwaren, die sie für das Kinderheim Im Gamander in Schaan, für den Basar des Frauenverein Vaduz und für andere angefertigt hat, grosse Freude bereitet und geholfen. Dafür gebührt ihr Dank und Anerkennung.

Dr’Küafer Franz Laternser

Maria Hemmerle, geborene Laternser, stammt aus einer alteingesessenen Familie aus Vaduz, deren Stammvater Leonhard Laternser bereits in Dokumenten um 1600 aufscheint. Der Vater von Maria, Franz Joseph Laternser (1888–1965), war der Älteste männliche Nachkomme von acht Geschwistern. Er ist im Oberdorf in Vaduz aufgewachsen. Er machte nach der Schule die Küferlehre in Maienfeld und war dann in einer Weinhandlung in Chur tätig und als Kellermeister auf dem Schloss, bevor er nach dem Ersten Weltkrieg um das Jahr 1920 herum zuerst im Oberdorf, dort wo das Elternhaus, «s’Laternser Huus», heute noch steht, eine Küferei eröffnete. Küfermeister Franz Laternser baute dann an der Landstrasse das Haus Nr. 246 mit einer Küferei. Daneben betrieb er auch eine Brennerei und Mosterei. Er hatte im Land und in der Region einen ausgezeichneten Ruf als Meister seines Fachs und bildete zahlreiche  Lehrlinge aus Liechtenstein und auch aus der benachbarten Schweiz im Küferhandwerk aus. Seine Produkte waren damals gefragt: Fässer jeder Grösse für Wein und Most, Kübel, Gelten, Bottiche, Güllefässer und nicht zu vergessen für die Traubenernte die Tragbottiche, die «Körbsa», wie man ihnen in unserer Mundart sagt. Damals war das Material des Küfers Holz, und zwar Eichenholz. Küfermeister Franz Laternser betrieb die Küferei bis etwa Mitte der 1950 Jahre. Heute werden die Produkte des Küfers mehr oder weniger alle aus Metall oder Kunststoff hergestellt! Er war der letzte Vertreter seiner Zunft in Liechtenstein. Schade, dass dieses Handwerk bei uns ausgestorben ist und auch in den uns umgebenden Ländern nur noch von wenigen ausgeübt wird.

Maria Hemmerle, geborene Laternser

Sowohl die erste Frau von Franz Laternser, Christina, geborene Nigg, als auch die zweite Frau Catharina, geborene Knaupp, sind gestorben als ihre Kinder noch klein waren. Die Mutter von Maria Laternser, Catharina, starb, als Maria sechs Jahre alt war. Sie ist die ersten Jahre ihrer Kindheit mit zwei Schwestern, Irma und Heidi, aufgewachsen. Nach der Heirat ihres Vaters mit Emma Sonderegger aus Tisis vergrösserte sich die Familie um weitere fünf Kinder, einen Bruder und vier Schwestern: Franz, Silvia, Alice, Hildegard und Monika.

Maria Hemmerle: «Als Älteste musste ich schon in jungen Jahren zu Hause, auf dem Feld und im «Wingert» schaffa. Ich ging im Äule zur Schule und besuchte acht Jahre die Volksschule. In die Realschule ging ich nicht, weil mein Vater der Meinung war, dass ich «zom Schaffa ufm Fäld und im Wingert» keine Realschule bräuchte. Damit war dieses Thema erledigt. Ich habe bis zu meiner Heirat am 10. Januar 1956 zu Hause gearbeitet und bin dann zu meinem Mann Josef Hemmerle in den Altenbach gezogen. Ich habe immer gerne gearbeitet und tue das auch heute noch. Ich nehme es einfach so wie es ist. Ich sag immer, es könnte ja noch minder sein, mit der Gesundheit und mit allem. Man kann nicht immer jammern, wenn Dir etwas weh tut, andere haben auch etwas.» Dies ist eine typische Einstellung von Maria Hemmerle und sie ist damit bis heute gut gefahren.

Mutter, Hausfrau, Landwirtin…

Nach der Heirat zog Maria zu ihrem Mann Josef in den Altenbach. In unmittelbarer Nachbarschaft waren die Noser, die Feger, die Metzgerei Wachter, das Lebensmittelgeschäft Oskar Gerster und der Vaduzerhof.

Früher musste man den Franken zweimal umdrehen, bevor man ihn ausgeben konnte. Das Kindergeld für ihre drei Töchter betrug damals 37 Franken im Monat, wie mir Maria sagte. Heute sind es 990 Franken!

Ihr Mann Josef hatte zwei ältere Brüder, Anton und Emil Hemmerle. Josef, der Jüngste, übernahm das Elternhaus mit Stallgebäude und betrieb bis 1965 eine kleinere Landwirtschaft mit einem Viehbestand, mit Schweinen und Hühnern, so wie es viel andere damals auch machten. Josef und Maria Hemmerle haben zusammen viel gearbeitet, um die Familie durchzubringen. Sie haben drei Töchter aufgezogen: Heidi, Marianne und Hannelore. Maria war eine sehr gute Mama, eine sehr tüchtige und fleissige Hausfrau und half ihrem Mann in der Landwirtschaft. Dank dem, dass sie gut stricken, schneidern und nähen konnte, hat sie viel für ihre Töchter selber gemacht. Früher musste man den Franken zweimal umdrehen, bevor man ihn ausgeben konnte. Das Kindergeld für ihre drei Töchter betrug damals 37 Franken im Monat, wie mir Maria sagte. Heute sind es 990 Franken!

Maria Hemmerle: «Es gab damals keine Warenhäuser wie heute. Ich habe für meine drei Töchter selbst Kleider geschneidert und genäht als sie noch zur Schule gingen. Wir hatten kein Geld, um ständig neue Kleider zu kaufen.» Am 14. August 1965 ist der Stall abgebrannt und damit ist die wichtigste Grundlage für den Betrieb der Landwirtschaft auf einen Schlag vernichtet worden. Josef hat die Landwirtschaft aufgegeben und war dann bis zu seiner Pensionierung bei der Gemeinde Vaduz angestellt.

Maria Hemmerle kennt keine Langeweile

Seit ihre drei Töchter verheiratet sind und ihr Mann Josef 2002 gestorben ist, lebt Maria allein und zufrieden in ihrem Haus im Altenbach. Sie führt selbstständig ihren Haushalt und lebt nach ihrem Motto: «Ich nehme es einfach so, wie es ist.». Sie ist sehr kontaktfreudig und besucht auch gerne ihre Töchter in Mauren, in Untervaz oder in Vaduz. Ihre Töchter Heidi, Marianne und Hannelore kommen aber auch regelmässig im Altenbach vorbei und schauen, ob es ihrer Mama gut geht. Maria Hemmerle hat einen engen Kontakt zu ihren Verwandten und hat viel Bekannte, die im Altenbach vorbeischauen. Maria Hemmerle kennt keine Langeweile!

Stricken für das Kinderheim Gamander, für den Frauenverein und…

Maria Hemmerle ist seit vielen Jahren eine sehr sozial eingestellte Frau. Sie hat keine Rast und keine Ruh, weil Stricken ist seit eh und je die grosse Leidenschaft von Maria. Sie strickt auch heute noch jeden Tag nicht für sich, sondern für solche, die es brauchen: Für das Kinderheim Gamander hat Maria Hemmerle in den letzten 10 Jahren weit über 3000 Taschen hergestellt und für den Basar des Frauenvereins Vaduz, der alle zwei Jahre durchgeführt wird, viele Socken, Mützen, Handschuhe, gehäkelte Überzüge für Kleiderbügel und vieles andere mehr.

Weihnachten, Neujahr

Maria Hemmerle: «Als ich noch zu Hause an der Landstrasse mit meinen Eltern und Geschwistern Weihnachten gefeiert habe, gab es an Heiligabend zuerst «Znacht», dann sind wir in die Stube zum Christbaum und zur Krippe, haben gesungen und die Päcklein geöffnet. Damals  gab es keine grossen Geschenke. Wir bekamen das geschenkt, was wir auch sonst bekommen hätten. Natürlich durfte das Weihnachtsgebäck, die «Krömli», nicht fehlen: Mailänderli, Spitzbuben, Zimtsterne und Fingerkugeln hat man bei uns gesagt. Hier im Altenbach habe ich auch immer «Krömli» gebacken. Einmal hatte ich sechzehn verschiedene Sorten zusammen. Aber früher hat man um Weihnachten nicht so ein Trara gemacht wie heute.

Hier im Altenbach bleibe ich an Neujahr immer zu Hause, denn wenn jemand kommt, dann muss ich zu Hause sein. So ist es auch bei meinen Geburtstagen: andere verschwinden dann, aber ich will die Leute nicht vor der Türe stehen lassen.

Als ich noch ledig war bin ich an Neujahr zu den Tanten, zu Götti und Gotta, um das Neujahr anzuwünschen. Hier im Altenbach bleibe ich an Neujahr immer zu Hause, denn wenn jemand kommt, dann muss ich zu Hause sein. So ist es auch bei meinen Geburtstagen: andere verschwinden dann, aber ich will die Leute nicht vor der Türe stehen lassen. Die Neujahrswünsche, die man heute noch immer hört: «A rächt a guats neus Johr, dass d’gsund blibscht», das ist das Wichtigste.» Und das wünschen wir auch Maria Hemmerle.

Maria Hemmerle ist eine Frau mit Humor und schaut positiv in die Zukunft. Auch wenn ihr nicht alles passt, sagt sie: «Es ist so wie es ist».