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60Plus | Porträt | April, 2021
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Ewald Öhry, Ruggell

Gut drauf und immer in Bewegung

Ewald Öhry stammt aus einer alteingesessenen Ruggeller Familie, wurde 1949 geboren und ist in einfachen Verhältnissen aufgewachsen. Nach der Realschule machte er seine berufliche Ausbildung zum Forstwart und Förster in der Schweiz. Er war 10 Jahre Revierförster in Flims/GR und viele Jahre Prüfungsexperte in der Schweiz. Nach 16 Jahren in der Schweiz kehrte er nach Liechtenstein zurück und arbeitete von 1981 bis zu seiner Pensionierung im Jahre 2010 beim Landesforstamt in Vaduz. Die Berggebietssanierung wurde zu seiner zentralen Aufgabe.

Ewald Öhry hat seine beruflichen Qualitäten als Förster, bei der Erarbeitung und Ausführung von vielen Projekten im Alpengebiet, als Kursleiter, Instruktor und Prüfungsexperte in der Schweiz und in Liechtenstein unter Beweis gestellt. Seine sportlichen Leistungen als Bergsteiger und Langläufer sind erstaunlich. Ewald Öhry war schon von Berufs wegen immer in Bewegung und ist es immer noch mit fast 72 Jahren.

Er ist gut drauf, fühlt sich wohl in seiner Heimatgemeinde Ruggell und in seinem schönen daheim an der Kirchstrasse.  Werner Ospelt hat sich mit Ewald Öhry unterhalten und mit ihm einen interessanten Streifzug durch sein bisheriges Leben gemacht.

«Sehr zahlreich sind die Öhri in Ruggell, welches Dorf früher zur Pfarrei Bendern gehörte.» Tschugmell stellte vier Stämme zusammen und gab ihnen Namen.

Wenn ich die Stammtafeln der Bürgerfamilien in Ruggell durchforste, dann steht da geschrieben, dass der Name Öhri/Öhry bereits 1395 erstmals urkundlich erwähnt ist. Pfarr-Resignat Tschugmell schreibt Ende Jänner 1980: «Sehr zahlreich sind die Öhri in Ruggell, welches Dorf früher zur Pfarrei Bendern gehörte.» Tschugmell stellte vier Stämme zusammen und gab ihnen Namen. Es sind dies die Schreiner-Öhri, die Wendelin-Öhri, Uli-Jokili und die Michel-Öhri, zu denen auch Ewald Öhry gehört. Diese Familie ist mit dem Hausnamen «S’Niklausas» in den Stammtafeln der Bürgerfamilien von Ruggell eingetragen.

Der Vater von Ewald Öhry war Nikolaus Öhry (1918–1996), der mit Gertrud (1920–2011) geborene Boxler von Gams verheiratet war. Ewald hat noch drei Geschwister: Martha, Martin und Irmgard, die in Ruggell wohnen. Das Elternhaus, in dem Ewald mit seinen Geschwistern aufgewachsen ist, stand an der Unterdorfstrasse 74 und wurde vor zwei Jahren abgerissen.

Vater Nikolaus Öhry war Waldhirt (die heutige Bezeichnung ist Förster) der Gemeinde Ruggell, später auch von Schellenberg und betrieb daneben eine kleine Landwirtschaft, um seine Familie gut durchzubringen. Damals war es fast normal, dass viele Familien noch Nebenerwerbsbauern waren oder Felder bewirtschafteten, um sich besser selbst versorgen zu können, denn die wirtschaftlichen Verhältnisse waren nicht so gut wie heute.

Die 1950er- und frühen 1960er-Jahre

Als wir uns über die Zeit unterhalten, als Ewald in Ruggell aufgewachsen ist – das sind die 1950er- und die frühen 1960er-Jahre – so muss ich konstatieren, dass diese Zeit mit heute fast nicht mehr zu vergleichen ist. Es ist ein krasser Gegensatz. Ewald erzählt: «Ich hatte eigentlich eine schöne, problemlose Kindheit und bin zusammen mit meinen drei Geschwistern einfach aufgewachsen. Wir konnten uns nicht allzu viel leisten. Der Vater war Waldhirt. Noch früher hat er bei der Presta gearbeitet. Ich erinnere mich, dass in Ruggell ein Waldhirt gesucht wurde. Da hat es noch keine Försterschule gegeben. Er musste nur einige Kurse absolvieren. Er war Waldhirt zuerst von Ruggell und dann auch noch von Schellenberg und eine Zeitlang auch von Planken».

Ewald fährt dann fort und beschreibt die Verhältnisse von früher so: «Ganz früher hatten wir kein Wasser im Haus, aber wir hatten draussen einen grossen Brunnen für das Vieh und in der Küche eine Flügelpumpe, mit der man Grundwasser pumpen konnte. Dies wurde zum Kochen und Waschen benötigt. Die Wasserleitung in Ruggell wurde erst Ende der 1950-er Jahre installiert. Und wir hatten zwischen Haus und Stall ein «Plumpsklo». Als Nebenerwerbsbauern hielten wir  einige Kühe und Rinder im Stall, hatten Schweine und Hühner. Wir hatten keinen elektrischen Herd, aber einen Kachelofen. Als wir dann in die Schule gingen, hat es eine Badewanne gegeben in der Waschküche. Waschmaschinen gab es auch noch keine. Mama hat die Wäsche im heissen Wasser gewaschen und zum Trocknen draussen aufgehängt.

Im Winter war es nur in der Küche und in der Stube warm. Im oberen Stock war es in den Zimmern kalt. Nur die Bettflaschen gaben etwas Wärme im Bett. Die Eltern schliefen im Erdgeschoss in der Nebenkammer und wir Kinder im oberen Stock. Im kalten Winter bildeten sich an den Fenstern oft Eisblumen.

Zum Essen gab es jeden Morgen Türkenriebel und am Abend Mehlsuppe oder Rösti und am Mittag Kratzati, Knöpfli, Griesmus und manchmal Schwinigs, Kutteln, Schwartenmagen oder Geräuchertes von der im Herbst gemetzgeten Sau. Man war grösstenteils Selbstversorger: «Wir mussten im Stall mithelfen, Kühe melken, füttern, ausmisten, die Hühner versorgen und auf dem Feld mit anpacken.»

An eines erinnert sich Ewald nicht so gerne. Schon der Ehni von Ewald betrieb eine kleine Samenhandlung, damit die Leute im Dorf in ihrem Garten im Frühjahr Salat und Gemüse anpflanzen konnten. Dieses Geschäft wurde von den Eltern übernommen. Ewald und seine Geschwister mussten im Frühjahr jeweils mit einem Handwägeli mit Samen für Salat, Bohnen, Gemüse und Steckzwiebeln in einer Kiste durch das Dorf fahren, um Samen zu verkaufen, sozusagen hausieren. Das tat Ewald gar nicht gerne.

Die Schweizer jahre von Ewald Öhry

Nach der Realschule im Jahre 1965 absolvierte Ewald Öhry erfolgreich die Lehre als Forstwart im Lehrbetrieb der ETH in Zürich. Anschliessend ging er in die Westschweiz in den Kanton Neuenburg, wo er im Val de Travers in den Waldungen der Stadt Neuchatel arbeitete. Aus dem geplanten einjährigen Aufenthalt sind dann zwei Jahre geworden, weil es Ewald so gut gefallen hat.

Ewald Öhry: «Weil ich mich aber weiterbilden wollte und die Aufnahmeprüfung an der Försterschule in Landquart bestanden hatte, besuchte ich ab dem Frühjahr 1970 die Försterschule, die zu dieser Zeit im Plantahof in Landquart untergebracht war.»

Er bildete Forstwartlehrlinge aus, leitete Kurse in der Holzernte, war Instruktor bei Seilkrankursen und war jahrelang Prüfungsexperte für Abschlussprüfungen der Forstwarte und auch bei den Abschlussprüfungen der Förster.

Ewald Öhry schloss die Ausbildung zum «Eidg. Dipl. Förster» im Frühjahr 1971 mit Erfolg ab. Er bewarb sich bereits in seiner Ausbildungszeit um die ausgeschriebene Försterstelle in Flims/Graubünden und wurde vom Gemeinderat als Revierförster auch angestellt. Bedingung war natürlich, dass er die Prüfung bestehen musste. Und das tat er dann auch! Er war zehn Jahre erfolgreich als Revierförster in Flims tätig. In dieser Zeit als Ewald Öhry in Flims war, hat er sich sehr stark in der Ausbildung und als Prüfungsexperte für Forstwartlehrlinge und Förster engagiert. Er bildete Forstwartlehrlinge aus, leitete Kurse in der Holzernte, war Instruktor bei Seilkrankursen und war jahrelang Prüfungsexperte für Abschlussprüfungen der Forstwarte und auch bei den Abschlussprüfungen der Förster. Auch als er nach Liechtenstein zurückkehrte war er noch einige Jahre Prüfungsexperte an der Försterschule.

Ewald Öhry, seiner Frau Agnes und den beiden Kindern, die in Flims geboren wurden, hat es sehr gut gefallen. Sie haben sich sehr gut ins Dorfleben eingelebt. Ewald war bei der Musik in Flims und seine Frau machte im Turnverein mit. Nach zehn Jahren zog es Ewald Öhry zurück in die alte Heimat. Dazu sagt Ewald Öhry: «Als dann beim Forstamt in Vaduz eine Stelle für Berggebietssanierung ausgeschrieben war, habe ich mich gemeldet. Ich hatte aber schlaflose Nächte und habe mir sehr schwer getan – soll ich mich melden, soll ich mich nicht melden – denn ich hatte einen super Job und wir fühlten uns wohl in Flims. Es war eine schwierige Entscheidung. Aber rückblickend betrachtet war es schon der richtige Schritt.

Die Familie Ewald und Agnes Öhry

Die erste Begegnung mit seiner späteren Frau hatte Ewald am Stephanstag 1969. Er kam über Weihnachten und Neujahr von Neuenburg nach Hause und ging mit Kollegen ans Stephanskonzert der Harmoniemusik Schaan. Da traf er auf Agnes Negele, Tochter des Schumachers Josef Negele aus Triesen. Beim anschliessenden Tanzen kamen sich Ewald und Agnes beim Dreivierteltakt näher und immer näher. Das war der Beginn der Liebesbeziehung. Am 18. Mai 1973 heiratete Ewald Öhry Agnes Negele und gründeten in Flims eine Familie mit dem Erstgeborenen Michael und der Tochter Claudia. Sohn Michael besuchte den Kindergarten und die ersten zwei Klassen Volksschule in Flims und war gar nicht erfreut, als die Familie ins neue Haus an die Kirchstrasse 23 in Ruggell zog. Als Ewald Öhry 1981 beim Forstamt anfing, blieben Frau und Kinder vorerst in Flims. Ewald pendelte zwischen Flims und Ruggell hin und her. In dieser Zeit 1981/1982 baute Ewald sein neues Haus an der Kirchstrase.

Seit 1982 wohnte die Familie Ewald und Agnes Öhry im neuen Haus in Ruggell, das heute Ewald immer noch bewohnt. Es hat sich seither jedoch viel ereignet und verändert, denn im Jahre 2006 ist seine Frau Agnes infolge einer schweren Krankheit gestorben. Sohn und Tochter sind inzwischen ihre eigenen Wege gegangen und ausgezogen. Sohn Michael arbeitet und lebt mit seiner Familie im Kanton Zürich und Tochter Claudia wohnt mit ihrer Familie im eigenen Einfamilienhaus gleich neben dem Haus des Vaters. Ewald hat drei Enkelkinder: Sara, Elena und Timo, auf die er besonders stolz ist und grosse Freude hat. Auch hat er mit Karin in der Zwischenzeit wieder eine liebe Partnerin gefunden.

Von 1981 bis 2010 im Einsatz für die Berggebietssanierung beim Forstamt

Als Ewald Öhry im Herbst 1981 seine neue Stelle beim Forstamt antrat, war Eugen Bühler noch Forstmeister, später dann Felix Näscher. Ewalds Hauptaufgabe war die Berggebietssanierung. Er sagt dazu folgendes: «Ich war dort zuständig für die Alpwaldungen. Meine Aufgabe war die Durchführungen von Wald-Weide-Trennungen. Durch die Wald-Weide-Trennung haben wir durch Lawinen und Hangrutsch gefährdete Hänge aus der Beweidung herausgenommen und haben sie bewaldet. Aufforstungen und Verbauungen sowie die Pflege der bestehenden Wälder gehörten dabei zu meinen Aufgaben. Ausserdem bin ich auch für den Bergwegunterhalt und die Beschilderung der Wanderwege zuständig gewesen. Und auch in der Pensionierung war ich sieben Jahre lang Wegwart und habe jedes Jahr alle Bergwege abgelaufen, um zu schauen was wo kaputt ist.» Ewald Öhry ist 2010 in Pension gegangen. Er war 29 Jahre beim Forstamt tätig und hat sich dabei mit schwierigen und herausfordernden Aufgaben beschäftigt. Die Tätigkeit beim Land und für das Land hat ihm sehr gut gefallen!

Immer in Bewegung

Ewald Öhry ist ständig in Bewegung, schon sein Leben lang; er tut und macht auch heute noch einiges! Er lernte schon in jungen Jahren Trompete und war bereits als 15jähriger bei der Musik in Ruggell. Und dass ein Ruggeller mit dem Radfahren aufwächst, ist ja selbstverständlich. Ewald hat auch in der Dorfmusik von Flims mitgespielt. Zurück in Ruggell holte ihn der Musikverein Frohsinn wieder in seine Reihen. Es gab dabei eine kurze Zeit, da spielten drei Generationen Öhry im Musikverein Ruggell: Vater Nikolaus, Sohn Ewald und Enkel Michael. Er war 29 Jahre beim Musikverein und ist Ehrenmitglied. Als dann seine Frau krank geworden ist, wurde es ihm zu viel und er hat das Instrument an den berühmten Nagel gehängt. Ewald Öhry ist seit vielen Jahren Mitglied im Veloclub Ruggell und Ehrenmitglied. Dann ist er Mitglied im Liechtensteiner Forstverein und ebenfalls Ehrenmitglied.

Er war in Mittel- und Südamerika in den Anden und in Patagonien unterwegs. Unter anderem stand er auch auf dem Cotopaxi 5897 Meter hoch in Ecuador.

Ewald Öhry hat schon mehrere Viertausender in der Schweiz bestiegen. Dazu gehören die Dufourspitze, der Dom, das Rimpfischhorn, das Nadelhorn und und… Auch auf Klettersteigen ist er anzutreffen. Er unternahm schon einige Trekkingtouren im Ausland, war schon zweimal in Nepal, hat den Mount Everest aus der Nähe gesehen und war auf dem Kilimandscharo, Afrikas höchstem Gipfel. Er war in Mittel- und Südamerika in den Anden und in Patagonien unterwegs. Unter anderem stand er auch auf dem Cotopaxi 5897 Meter hoch in Ecuador. Auch hat er viele weitere Länder in Europa und in Übersee bereist. Und das ist noch nicht alles. Ewald Öhry ist auch Hobbywinzer mit einem kleinen Wingert in Schaan; er erledigt alle Arbeiten im und rund ums Haus selber und ist ausserdem noch Jagdpächter und Jagdleiter im Jagdrevier Ruggell. Er sagt selber: «Ich war in diesem Winter schon über 30-mal am Langlaufen. Das ist noch nicht alles. Er war schon 35-mal am «Engadiner» und wäre auch in diesem Jahr dabei gewesen, wenn es nicht wegen Corona abgesagt worden wäre. Ewald geht immer noch auf die Berge und fährt als Ruggeller am liebsten mit dem Rad.

Die Zukunft…

Ewald Öhry war und ist ein politisch sehr engagierter und interessierter Liechtensteiner. Die Meinung von Ewald Öhry: «Ich mach mir Sorgen wegen der rasanten Entwicklung unseres Landes. Es wird ständig viel gebaut, es werden immer mehr Arbeitsplätze geschaffen, unser natürlicher Lebensraum wird immer enger, unsere Umwelt wird immer mehr belastet, die Flora und Fauna leidet darunter.» Ewald Öhry fühlt sich in seiner Heimatgemeinde sehr wohl. Er war jedoch gerne 16 Jahre in der Schweiz. Diese Jahre haben ihn mitgeprägt und seinen Horizont erweitert. Ihm geht es gut, er ist gesund und freut sich, dass er auch weiterhin Rad fahren und in die Berge gehen und noch einiges unternehmen kann, denn Ewald ist immer in Bewegung und das soll so bleiben, so lange wie möglich. Und er hofft, dass es auch seinem Sohn und seiner Tochter mit Familien weiterhin gut geht.

Wir danken Ewald Öhry für das interessante Interview und wünschen ihm alles Gute!